Die heftige Kritik, die dem neuen Islamgesetz bereits im Prozess seiner Novellierung seitens muslimischer Organisationen entgegenschlug, will auch nach seinem Beschluss durch die österreichischen Regierungsparteien nicht verstummen. Sieht man von einer Art der Anfeindung ab, die aus der Überzeugung resultiert, dass im Umgang westlicher Staaten mit islamischen Belangen prinzipiell eine Bedrohung des wahren Islam liege, gilt der Unmut der Kritiker insbesondere jener Bestimmung, nach der es muslimischen Organisationen künftig untersagt ist, finanzielle Unterstützung aus dem Ausland in Anspruch zu nehmen - dies, so heißt es, stelle eine Ungleichbehandlung der Muslime dar und verfestige überdies einen in der Gesellschaft gegenüber Muslimen ohnehin bestehenden Generalverdacht.

Warum die Regelung der religiösen Praxis un-terschiedlicher Glaubensgemeinschaften durch ebenso unterschiedliche Gesetzgebungen eine Diskriminierung darstellen sollte, ist sachlich nicht nachvollziehbar. Im Gegenteil berücksichtigt das neue Gesetz damit die besonderen Bedürfnisse der einzelnen Vereinigungen und gibt ihnen Raum zur Gestaltung ihrer Beziehung zu Staat und Gesellschaft gemäß ihrer spezifischen Verfasstheit.

Verschwörung des Westens?

Nicht unerwähnt bleiben können in diesem Zusammenhang die Reaktionen der offiziellen türkischen Seite. So ließ Präsident Tayyip Erdogan verlauten, bei der Verabschiedung des neuen Islamgesetzes handle es sich um eine antimuslimische Verschwörung des Westens; einer Lösung könnten die Probleme, mit denen die im Ausland lebenden Muslime konfrontiert sind, allein unter seiner Führung zugeführt werden. Er unterstreicht damit seinen Willen, die europäischen Muslime für die Durchsetzung seiner politischen Interessen einzuspannen.

Ähnlich die Stellungnahme des Präsidenten des türkischen Amtes für religiöse Angelegenheiten DIB, der Österreich zudem vorwirft, mit der Verabschiedung des Gesetzes einen großen Schritt zurück getan zu haben. Erinnert man sich, dass Herr Görmez stets darum bemüht war, der Instrumentalisierung der europäischen Muslime für die politischen Interessen der Regierung Erdogan entgegenzuwirken - aus dem Wissen heraus, dass die von der Türkei entsandten Imame den Erwartungen der europäischen Muslime nicht mehr entsprechen und so der Theologisierung muslimischer Isolation Vorschub leisten -, muss man zum Schluss kommen, dass er sich letztlich politischem Druck gebeugt hat.

Vor dem Hintergrund der parteipolitischen Aktivitäten der türkischen Seite, die eben nicht die Bedürfnisse der in Europa lebenden Muslime im Blickfeld hat, kann auch hinsichtlich der Protagonisten dieser Politik in Österreich kaum mehr Zweifel daran bestehen, dass es in deren Kritik am Islamgesetz weniger um dessen Inhalte, als vielmehr um eine grundsätzliche Abrechnung mit Europa geht. So lässt sich auch erklären, warum diese Gruppen die Einmischung des österreichischen Staates als Gefahr, das Mitwirken der Türkei hingegen als notwendige Voraussetzung für den Bestand muslimischen Lebens im Lande betrachten.

Die mediale Hetze, die von diesen Gruppen im Ausland gegen Österreich veranstaltet wird, ist ein weiterer Beweis dafür, dass die Beheimatung der Muslime in Österreich ein mühsamer Prozess ist. Das Islamgesetz ist insofern ein kraftvolles Signal, als es klarstellt, dass man eine Einmischung ausländischer Politiker in die Angelegenheiten hier lebender Muslime nicht länger dulden möchte. Regierung und IGGiÖ sind aufgefordert, die Bestimmungen des Islamgesetzes konsequent in die inneren Strukturen der Muslime hineinzutragen, ohne sich von ausländischen Interessen und deren Protagonisten in Österreich einschüchtern zu lassen. (Ednan Aslan, DER STANDARD, 4.3.2015)