Wien – Jährlich werden sie mehr: Studierende, die ins Ausland gehen. Gleichzeitig bleiben aber auch immer öfter Plätze frei – aus unterschiedlichen Gründen.

Letztes Studienjahr traten 7235 aus Österreich ein Semester im Ausland an, im Vergleich dazu waren es 2011/2012 6438. Knapp zwei Drittel davon nutzen dafür das Erasmus-Programm. Österreich zählt seit Jahren zu den Top fünf der teilnehmenden Länder – sowohl in Hinblick auf Incomings als auch auf Outgoings.

Grafik: Michael Bauer

Die Zahl der Plätze wird jährlich aufgestockt, und obwohl die Zahl der Erasmus-Studierenden steigt, bleiben jährlich mehrere hundert Plätze frei. Die Gründe dafür, dass das Angebot schneller wächst als die Nachfrage, sind laut Studierendensozialerhebung bei der Finanzierung zu suchen, sagt Angelika Grabher vom Institut für Höhere Studien. Neben der Sorge um Zeitverlust im Studium stelle dies das größte Hindernis dar. Grundsätzlich lässt sich sagen: Je niedriger die soziale Schicht, desto niedriger die Mobilitätsquote. Studierende aus bildungsferneren Schichten sind meist auch älter und befinden sich in einer anderen Lebenssituation, sagt Grabher. Bei der Finanzierung des Auslandssemesters geben Studierende aus höherer Schicht an, dass 50 Prozent von der Familie kommen, bei Studierenden aus niedriger Schicht sind es knapp 20 Prozent.

Alle bekommen die gleichen Förderungen

Zurzeit erhalten alle Studierenden dieselbe Förderung, unabhängig vom familiären Background. "Der finanzielle Zuschuss zielt nicht darauf ab, sozial auszugleichen", sagt Grabher.

Trotzdem richtet sich das Programm grundsätzlich an die breite Masse, sagt auch Uwe Brandenburg, der die "Studie zur Wirkung von Erasmus" der EU-Kommission geleitet hat. "Wem das Programm zugutekommt, ist eine andere Frage." Die Studie hat sich mit der Auswirkung von Erasmus beschäftig und dabei 75.000 Studierende sowie Hochschulen und Unternehmen europaweit befragt.

Als Grund für das Daheimbleiben geben die meisten an, nicht genug Geld und Angst vor Verlust des Jobs zu haben. Um eine soziale Durchmischung zu fördern, müsse man bereits in der Schule ansetzen, und die Unis müssten bessere Beratung für alle bieten, sagt Brandenburg. "Vorerfahrung aus dem Elternhaus prägt einfach." Auch Persönlichkeitsmerkmale wie Offenheit, Selbstsicherheit und Toleranz seien durch das Elternhaus beeinflusst, und diese sind bei Erasmus-Studierenden im Schnitt stärker ausgeprägt, zeigt die Studie. "Beim Auslandsstudium findet eine soziale Selektion statt", sagt Brandenburg.

Vorteile bei der Jobsuche

Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass die Auslandserfahrung später Vorteile am Arbeitsmarkt bringt. Fünf Jahre nach dem Studienabschluss ist die Arbeitslosenrate von Erasmus-Studierende 23 Prozent niedriger als bei anderen Studierenden. Wenn es um Langzeitarbeitslosigkeit geht, sind sie sogar nur halb so oft betroffen. Ein Drittel der befragten Unternehmen gab an, Auslandserfahrung als Voraussetzung für ein Bewerbungsgespräch zu werten.

Weniger ins Gewicht fällt der soziale Background in Hinblick auf Auslandspraktika. "In Österreich wird die Bedeutung des Praktikums oft übersehen", sagt Grabher. Denn Studierende aus niedriger Schicht würden von Praktika besonders profitieren, zumal diese kürzer sind und meist entlohnt werden. Bei Erasmus+ seien Praktika besser integriert und es sei leichter geworden, die finanzielle Förderung für ein Praktikum zu erhalten, sagt Grabher. (Lisa Breit, Kristina Nedeljkovic, Alicia Prager, DER STANDARD, 05.03.2015)

Ansichtssache Erasmus-Städte