Die Neue Mittelschule funktioniert nicht. Nicht so, wie sie sollte. Das liegt zum Teil auch an den Rahmenbedingungen, an den politischen Umständen. Die ÖVP hat das Projekt nie mitgetragen. Obwohl sich so gut wie alle Experten darüber einig sind, dass eine gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen Sinn macht, besteht die ÖVP nach wie vor auf einer Selektion in der Schule. Parallel zu den Neuen Mittelschulen, die im Grunde immer noch die alten Hauptschulen sind, gibt es nach wie vor Gymnasien – für die besseren Schülerinnen und Schüler. Letztendlich hat sich gezeigt, dass das bloße Austauschen von Türschildern, die Umbenennung der Haupt- in eine Mittelschule, ob neu oder alt, nicht ausreicht.

Die finanziellen Mittel, die in das Prestigeprojekt der SPÖ gesteckt wurden, sind dort offenbar nicht zielführend angekommen. Die Experten, die das Projekt im Auftrag des Unterrichtsministeriums evaluiert haben, kommen zu dem Schluss, dass in der Neuen Mittelschule keine Leistungsverbesserung der Schülerinnen und Schüler festgestellt werden konnte und dass das Niveau nicht gestiegen ist, in manchen Fällen sogar noch unter dem Niveau vergleichbarer Hauptschulen liegt.

Opfer der Umstände

An mehr als der Hälfte der Standorte wurde das Konzept überhaupt nur unzureichend umgesetzt. Das Projekt ist also schlecht vorbereitet und schlecht umgesetzt, hier stellt sich auch die Frage der politischen Verantwortung. Die liegt bei Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ), die seit ihrem Amtsantritt in diesem Ressort im Jahr 2013 von einer Panne in die nächste wankt. Mit ihrem Rücktritt wäre das Problem allerdings nicht gelöst. Auch Heinisch-Hosek ist ein Opfer der Umstände. Dass sie kein glückliches Händchen hat, egal was sie anpackt, ist allerdings auch evident.

Offenbar sind auch die Lehrerinnen und Lehrer mit dem neuen Unterrichtsprojekt überfordert und tragen es nicht mit. Mit neuen Formen des Unterrichts wie temporärer Gruppenbildung und Teamteaching mit zwei Lehrern in der Klasse kommen viele nicht zurecht. Nicht nur die Politik ist schlecht vorbereitet auf dieses Projekt, auch die Lehrerinnen und Lehrer sind es. Dass ihre Arbeitsumstände nicht entsprechend sind und Ressourcen fehlen, kommt erschwerend hinzu.

Gerechtigkeit und Gleichheit

Dass die Neue Mittelschule die in sie gesteckten Erwartungen nicht einlösen könnte, ist schmerzhaft und mit Sicherheit ein ganz schlechter Anlass, daraus politisch Kapital schlagen zu wollen. Es geht um so grundsätzliche Themen und Werte wie Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit. Die konnten mit der jetzigen, halbherzigen Form der Neuen Mittelschule nicht umgesetzt werden. "Die Wirkung der bekannten Ungleichheitsfaktoren – Geschlecht, familiäre Herkunft, unterschiedliches Leistungspotenzial der Schülerinnen und Schüler – unterscheidet sich nicht substanziell von jener in der Hauptschule", heißt es im Bericht der Experten. Lediglich für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund dürfte der Besuch der Neuen Mittelschule Vorteile bringen, immerhin.

Das schlechte Zeugnis für die neue Schulform ist kein Grund zur Resignation, im Gegenteil: Es muss besser werden. Die Schulen sind noch lange nicht dort, wo sie sein sollten, die Lehrerinnen und Lehrer sind es auch nicht. Sie brauchen Unterstützung, ebenso wie die Schülerinnen und Schüler. Auch von politischer Seite. Hier wird die Zukunft unseres Landes unterrichtet, das verdient jede Unterstützung und noch mehr Mittel, als derzeit zur Verfügung stehen. Dazu braucht es geeignete Konzepte und den Willen aller Beteiligten, gerade auch der zuständigen Ministerin, diese konsequent umzusetzen. Wenn diese nicht in der Lage ist, wird es Zeit, die Frage nach der politischen Verantwortung zu stellen und nach einer Verbesserung Ausschau zu halten. (Michael Völker, derStandard.at, 4.3.2015)