Wien - WKÖ-Präsident Leitl hat das Wort dafür geprägt: Der Standort Österreich sandelt ab. Das ist sinngemäß auch die Botschaft, die Deloitte vermittelt: Die Wirtschaftsprüfer sehen den Wirtschaftsstandort Österreich international nur mehr im Mittelfeld, die heimische Standortpolitik habe unübersehbaren Nachholbedarf. Seit 2012 hat sich Österreich in internationalen Standortvergleichen hinter den Top 20 eingependelt, geht aus dem am Mittwoch präsentierten "Deloitte Radar 2015" hervor.

2011 wurde der heimische Wirtschaftsstandort noch in allen fünf von den Wirtschaftsberatern untersuchten Indizes unter den Top 20 - "und somit im Spitzenfeld" - gereiht, 2014 nur mehr in zwei Standortrankings (OECD Better Life Index und Global Innovation Index des International Institute for Management Development).

Reformunwilligkeit

Für den "Deloitte Radar" wurden die Österreich-Daten von fünf Standortvergleichen berücksichtigt und mit volkswirtschaftlichen Kennzahlen sowie hauseigenen Untersuchungen zu einem Meta-Index zusammengefasst. Analysiert werde nicht der Ist-Zustand, sondern der Trend, erklärte Deloitte-Österreich-Geschäftsführer Bernhard Gröhs am Mittwoch vor Journalisten. Der Index-Wert basiert auf der Bewertung von sieben Standortfaktoren und ist von 3,14 Punkten im Vorjahr auf 3,00 von möglichen fünf Punkten gesunken.

Die Reformunwilligkeit des öffentlichen Sektors sei inzwischen die größte Last für Österreichs Wettbewerbsfähigkeit, heißt es im aktuellen Bericht, die Kritikpunkte seien hinlänglich bekannt. Zwar würde die mangelnde Strategie in der Standortpolitik durch Initiativen von Unternehmen zum Teil wettgemacht, Gröhs fordert aber "einen wirtschaftspolitischen Masterplan für unser Land". Das schwindende Vertrauen in den Wirtschaftsstandort stelle ein strategisches Problem dar.

Zu teuer

Die schlechteste Wertung (ein Punkt) erhielt der heimische Wirtschaftsstandort wie auch im Vorjahr in der Kategorie "Kosten". Die Bemühungen um eine Steuerreform würden von Ideologisierung überschattet, aus Sicht der Unternehmen gebe es Verunsicherung hinsichtlich der steuerlichen Planungs- und Rechtssicherheit, heißt es im Bericht. Gefordert werden unter anderem die Zusammenfassung aller steuerlichen Änderungen in einem Jahresgesetz sowie eine umfassende Zusammenlegung der Lohnverrechnung.

Der Bereich "Politisches und makroökonomisches Umfeld" wurde mit drei Punkten bewertet. Insbesondere die Verfügbarkeit von Risikokapital und das gesunkene Vertrauen in den Finanzmarkt werden im Bericht als Probleme hervorgehoben. Darüber hinaus weise Österreich bei Staatshaftungen in Relation zum Bruttoinlandsprodukt den höchsten Prozentsatz in der EU auf.

Fachkräftemangel

"Unternehmensinfrastruktur und -umfeld" wurden mit vier Punkten bewertet. Österreich verfüge über eine gut ausgebaute Infrastruktur und setze mit dem Breitbandausbau richtige Impulse, bemängelt werden im "Deloitte Radar" allerdings die hohen Energieimporte. Das "Regulatorische Umfeld" erhielt nur zwei Punkte. Die zunehmende Regulierung stelle mittlerweile ein Unternehmensrisiko dar, sagte Gröhs, die Regulierung überfordere mittlerweile auch schon die Regulatoren.

Bei "Innovation, Forschung und Entwicklung" vergaben die Wirtschaftsprüfer vier Punkte, fünf von fünf Punkten gab es wie im Vorjahr für die Lebensqualität in Österreich. Wegen des "massiv wahrgenommenen Mangels an Fachkräften" wurde der Standortfaktor "Verfügbarkeit von Arbeitskräften" mit nur zwei Punkten bewertet (2014: 3). Bemängelt wird in der Studie auch die "andauernde, stark ideologisch geführte Bildungsdiskussion" wie auch die steigende Zahl der Langzeitarbeitslosen. Mit der Zentralmatura habe man das Pferd von hinten aufgezäumt, sagte Deloitte-Partnerin Gundi Wentner. (APA, 4.3.2015)