Ohne Abendessen, ohne Frühstück, ohne gegenseitige Besuche auf den Landsitzen lief sie nie ab - die Fühlungnahme von Thomas Chorherr, dem eher ruhigen Nachfolger des streitbaren Otto Schulmeister als Chefredakteur der Presse von 1976 bis 1995, mit den Mächtigen der Republik. In der Autobiografie Dabei gewesen schildert er sein Wiener Leben, die Wiener (Bundes-)Politik und Interviews mit zwei südamerikanischen Diktatoren.

Die nationalen und internationalen Vorgänge in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beschreibt der nach italienischer Art immer noch aktive 83-Jährige in Berichtsmanier. Ins Anekdotenhafte rutschen seine Politikerporträts, die vor lauter Annäherung weltanschauliche Differenzen verschwimmen lassen. Kakanien ist noch nah.

Trotz Nachdenkens kam Chorherr "zu keinem Schluß", warum Bruno Kreisky (ein Bild mit Widmung "hängt eingerahmt in meinem Arbeitszimmer") nicht für die Hofburg kandidierte. Die Begründung "Für einen Juden als Staatsoberhaupt ist es noch zu früh" verstand er nicht.

Beeindruckt

Besonders beeindruckt hat ihn Karl Schleinzer, der 1975 tödlich verunglückte ÖVP-Obmann. "Kann denn wirklich die Stimme eines Sandlers das gleiche Gewicht haben wie die eines Universitätsprofessors", fragte ihn der Presse-Chef. Darauf Schleinzer: "Gewiß, das ist ein Problem. Aber sagen darf man es nicht." Er habe "diese Freundschaften" nie beruflich genützt, schreibt Chorherr glaubwürdig in diesem Kapitel. Aber das Buch ist von einer kaum unterdrückten Freude durchwoben, wenn er schreibt, wie ihn ein Spitzenpolitiker ins Vertrauen zog.

Beglückt hat ihn, dass Bundespräsident Heinz Fischer 2012 zur Feier des 80. Geburtstages erschien - und "lange blieb". Dabei hatte es im Land der Etikette mit einer "Eiszeit" begonnen. Trotz Smoking-Vorschrift war Fischer einmal mit heller Krawatte in Schönbrunn erschienen. Chorherr kritisierte ihn in einer Glosse. Der Linke mied den Rechten jahrelang (Gerfried Sperl, DER STANDARD, 4.3.2015)