Ganz im Sinne von Oscar Wilde, der in seinem Bildnis des Dorian Gray Wesen und Lebensweise eines Menschen exemplarisch porträtierte, interpretiert Hannah Feigl das Gesicht als Spiegel des Seins. Entgegen üblichen Usancen des Zeitgeistes setzt sich die 1966 in Amstetten geborene Künstlerin mit dem klassischen Porträt auseinander. Mittels ihrer Faszination und ihrer eingehenden Beschäftigung trachtet sie, in einem "unbeobachtet geglaubten Moment" in den "Gesichtern zu lesen".

Feigl, die auf der Angewandten bei Maria Lassnig und Christian Ludwig Attersee Malerei studiert hat, gelingt es in einprägsamer Weise, ihr Interesse an der Person - vor allem am Inneren, am Seelenleben der Porträtierten - zu visualisieren. Naturgemäß dekuvriert schon allein die Auswahl der in Öl Verewigten die Intention und Inspiration der Künstlerin. Neben bekannten Persönlichkeiten wie Konrad Paul Liessmann, Walter Seitter, Bodo Hell, Robert Menasse, Irene und Christine Hohenbüchler et alii enthält die aktuelle Sammlung ihrer portraits auch zahlreiche unbekannte Menschen - Künstler, Tänzer, Sänger -, die sie auf ihren Reisen durch Mexiko, den Senegal oder in hiesigen Asylantenheimen kennen- und schätzen gelernt hat.

Gerade die Natürlichkeit dieser Abbilder besticht durch Geschichten, durch Kraft, Stolz, Würde - und Demut. Im Vorwort der nun bibliophil subsumierten, mit luziden Notizen versehenen Porträtsammlung entführt Julian Schutting in seine Jugend, als Lehrende gemeint hätten, dass nur Staatsoberhäupter und Parvenus "ihrer Eitelkeit in Öl schmeicheln" lassen. In seinem Exkurs aber revidiert der Schriftsteller, angesichts Feigls OEuvre, und macht deren diagnostischen Blick dafür verantwortlich. Preisend das Unikat - im Gegensatz zur Omnipräsenz der Fotografie, deren Realismus - mit der Intention, dass "ein flüchtiger Augenblick ein flüchtiger Augenblick geblieben und zu Bestand gelangt, ohne als Zeitflüchtiges zu gerinnen." Sic est! (Gregor Auenhammer, DER STANDARD, 17.2.2015)