Viel zu lange hat es sich Österreich in der Rolle des ersten Opfers der Nationalsozialisten bequem gemacht. Rückstellungs- und Entschädigungsgesetzgebung waren lückenhaft und halbherzig - wenn sich etwas bewegte, dann nur auf internationalen Druck. "Die Leugnung einer österreichischen Mitverantwortung für die NS-Verbrechen prägte den Gesetzgebungsprozess bis in die 1990er Jahre", stellt Brigitte Bailer-Galanda trocken fest.

Die Wiener Historikerin ist eine der Autoren und Autorinnen im Sammelband "Schweres Erbe und ,Wiedergutmachung'", herausgegeben von Stefan Karner, Leiter des Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgen-Forschung, und Walter M. Iber, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut. Das Buch zieht Bilanz unter einem dunklen Kapitel der Nachkriegsgeschichte. Es zeigt das späte Umdenken und Einlenken unter der schwarz-blauen Regierung von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel.

Seine Stärke erhält das Buch gerade auch dadurch, dass Protagonisten aus dieser Zeit zu Wort kommen. Stellung nehmen etwa Hans Winkler, damaliger Leiter des Völkerrechtsbüros oder US-Chefverhandler Stuart Eizenstat. Der Buchtitel ist eine Anleihe auf den Beitrag der 2013 verstorbenen ehemaligen Nationalbank-Präsidentin Maria Schaumayer - ab dem Jahr 2000 war sie Regierungsbeauftragte für die Entschädigung der Zwangsarbeiter und verantwortlich für die folgende Einigung auf Zahlungen. "Österreich hat sich seiner moralischen Verpflichtungen aus den tragischen Geschehnissen des NS-Regimes gestellt", schreibt sie.

Warum Schwarz-blau diese historische Last anging, zeigt Standard-Kolumnist Hans Rauscher auf: Schüssel habe aus einem Motivmix gehandelt: "Anerkennung des Leidens der Verfolgten, realistisches Anerkennen der politischen Situation seiner umstrittenen Regierung, Hoffnung, das leidige Thema nun endgültig los zu werden". Kurz: Es war "weniger Herzensangelegenheit". (Peter Mayr, DER STANDARD, 5.2.2015)