Die 1998 vom Nationalrat gefasste Resolution hinsichtlich der Restitution von Raubkunst in österreichischen öffentlichen Sammlungen wird gemeinhin als "Gesetz" bezeichnet. De facto ist sie das im üblichen Wortsinn nicht. Diese Resolution ändert die gängige Rechtslage zur Übertragung von Kunstwerken in oder Nazizeit in Österreich nicht. Vielmehr sieht Österreich ein außergerichtliches Verfahren vor, in dem Ansprüche von einer eigens bestellten Kommission hinter verschlossenen Türen geprüft und Entscheidungen auf "moralischer" Basis gefällt werden. Diese Resolution macht keine Vorkehrungen für etwaige Kompromisslösungen und sieht solche auch gar nicht vor. Entscheidungen sind absolut: Entweder ein Kunstwerk bleibt im Museum oder es geht an die Antragsteller zurück.

Es wird immer schwieriger, solche Schwarz-Weiß-Entscheidungen, wie sie die Resolution von 1998 vorsieht, zu rechtfertigen. Die einschlägigen Archive wurden längst von Provenienzforschern durchforstet, über eindeutige Restitutionsfälle ist im Großen und Ganzen bereits entschieden worden. Nur noch wenige verlässliche Zeugen sind am Leben. Wir befinden uns nun in einer Grauzone, in der die Fakten einzelner Fälle oft nicht immer eindeutig sind. Die Vorstellung, dass Österreich ein moralisches Urteil über Ansprüche und Anspruchsteller zu fällen habe, birgt ein hohes Maß an Subjektivität, was wiederum gegen die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit verstößt.

Viele Österreicher haben sich vehement gegen die Restitution des Beethovenfrieses ausgesprochen. Sie argumentieren, die Rückgabe sei moralisch nicht gerechtfertigt, weil Lederer mit dem Kauf einverstanden und der Kaufpreis angemessen gewesen sei; dass seine Erben nicht jüdisch, dafür aber "gierig" seien (ein Hinweis, der unter anderen Umständen als antisemitisch gelten würde), weil der Fries nicht transportfähig sei ... Keiner dieser Faktoren aber hat eine Bedeutung für das 2009 novellierte Restitutions-"Gesetz". Dort wird festgelegt, dass es für eine Restitution ausreicht, wenn es einen "engen Zusammenhang" gibt zwischen einem Verkauf und dem Unvermögen des Verkäufers, eine Ausfuhrgenehmigung für das Kunstwerk zu bekommen.

Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Bundesregierung in den 1950er- und 1960er-Jahren das Ausfuhrverbot dazu benutzt hat, Erich Lederer zu zwingen, den Beethovenfries abzutreten. Dieses Ausfuhrverbot war auch 1972 aufrecht, als Bundeskanzler Bruno Kreisky den Ministerrat davon überzeugte, den Ankauf des Frieses zu genehmigen. Frage ist aber, ob Erich Lederer aufgrund seiner langjährigen Verhandlungen mit den österreichischen Behörden Druck verspürte oder er den Fries aus freien Stücken verkaufte. Beide Seiten haben viele Dokumente zu dieser Frage gesammelt, aber es ist unmöglich, die Gedanken eines Toten zu lesen. Wie viele aktuelle Restitutionsfälle hängt der Fall Beethovenfries von interpretativen Nuancen ab, die ungeeignet für jene Alles-oder-Nichts-Lösungen sind, die 1998 festgeschrieben wurden. Kaum jemand will, dass der Beethovenfries Österreich verlässt. Es ist an der Zeit, dass die österreichische Bundesregierung ihren rigiden Zugang aufgibt, den sie seit 1998 verfolgt. Sie sollte sich mit den verschiedenen Parteien an einen Tisch setzen und einen Kompromiss verhandeln, der den Fries in Österreich belässt, gleichzeitig aber jene Ungerechtigkeiten beseitigt, die die Familie Lederer während und nach dem Zweiten Weltkrieg erlitten hat. (Jane Kallir, DER STANDARD, 5.3.2015)