Wien ist lebenswert, keine Frage. Ob das allerdings durch die jährlich veröffentlichte Mercer-Studie, die die Bundeshauptstadt einmal mehr als die lebenswerteste Stadt der Welt einordnet, wirklich belegt wird, ist mehr als fraglich.
Liest man nämlich nicht nur die Jubelaussendung des Bürgermeisterbüros, sondern auch die Details zur Umfrage, so erfährt man, dass hier nur "Expatriates" befragt werden, also Mitarbeiter von Firmen, die von ihren Unternehmen nach Wien entsandt werden. Die eigentliche Aussage: Wien ist für internationale Manager sehr lebenswert, Washington (Platz 50) nicht so, Bagdad (230) überhaupt nicht.
Wien punktet gemäß den Befragten vor allem bei der Verfügbarkeit von geeigneten Mietobjekten, der Auswahl an Theater- und Musikdarbietungen sowie Restaurants und dem Angebot an internationalen Schulen.
Schön, dass es diesen Arbeitskräften und hoffentlich auch ihren Firmen hier gutgeht. Schließlich gilt es, mit vereinten Kräften den Schuldenberg in Höhe von 4,8 Milliarden Euro abzubauen. Expats werden nicht ohne Grund hofiert, weil sie schließlich auch Geld in die Stadt bringen.
Ob auch der gemeine Wiener ohne üppiges Managergehalt seine Stadt lebenswert findet, erfährt man durch die Studie nicht. Wenn Michael Häupl und Maria Vassilakou sie im Wahlkampf zitieren, sollten sie die Erwähnung der Befragten also nicht erneut vergessen. (Rainer Schüller, DER STANDARD, 5.3.2015)