Markus Beyrer hofft auf das Handelsabkommen mit den USA. Österreichs Klein- und Mittelunternehmen wären Hauptprofiteure, ist er überzeugt.

Das Freihandelsabkommen TTIP würde die Umweltstandards senken, US-Chlorhühner nach Europa bringen und mit außergerichtlichen Schutzklauseln für Investoren Demokratie und Rechtsstaat aushöhlen, lautet die Kritik an der geplanten Öffnung der Märkte von EU und USA. Das seien emotionale "Raubersgschichten", unsachliche Argumente, hält der Generaldirektor des Dachverbands der europäischen Industrie und Unternehmen, Markus Beyrer, entgegen. Österreich mit seiner stark exportorientierten Wirtschaft, den KMUs, wäre einer der großen Profiteure von TTIP, sagt er im STANDARD-Interview. Die Widerstände hier und in Deutschland seien absurd, ein "Politikum". Europa müsse allein schon aus strategischen Gründen an den USA dranbleiben, sonst werde es Verlierer einer globalisierten Welt mit Asien und Pazifik werden. "Es wäre an der Zeit, wenn wir uns mit wirtschaftlichen Zusammenhängen etwas rationaler auseinandersetzen", fordert Beyrer.

STANDARD: Die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen der EU mit den USA stoßen auf immer stärkeren Widerstand und Kritik in vielen Ländern. Was läuft da falsch aus der Sicht der Unternehmer, die an einem TTIP-Abschluss größtes Interesse haben?

Beyrer: Viele Länder, das ist vielleicht übertrieben. Aber es gibt in der Tat Widerstand aus Ländern, bei denen man das so nicht erwartet hat. Man hätte sich sicher eine etwas kritischere Debatte darüber in Frankreich oder in Italien erwartet, die sich aber sehr im Rahmen hält. Und es wäre kaum zu erwarten gewesen, dass die schwierigsten Debatten in Deutschland laufen und, teilweise davon abgeleitet, in Österreich.

STANDARD: Was sind die Gründe dafür?

Beyrer: In Deutschland hat das am Anfang sicher die Spionagegeschichte, die Datenüberwachung durch die NSA, befördert. Die ist jetzt wieder weg als großes Thema, hat aber dem Ganzen von Haus aus einen negativen Spin gegen die USA gegeben.

STANDARD: Und warum hätten Sie es in Frankreich oder Italien schwieriger erwartet?

Beyrer: Weil dort eine viel grundsätzlichere Skepsis da war. Das hat mit der Geografie zu tun, aber etwa auch mit der Kulturfrage in Frankreich, was man dann aber gelöst hat.

STANDARD: Mit einer Ausnahmeregelung im Kulturbereich, wegen der französischen Filmindustrie.

Beyrer: Und es hat sicher damit zu tun, dass die Industrie nicht ganz so stark ist wie vergleichsweise in Deutschland oder Österreich. Deshalb waren da von Anfang an, sagen wir, gemischte Gefühle, was das Freihandelsabkommen betrifft. Es ist so, dass es die klassischen Länder gibt, die für Freihandel sind, wo die Industrie stark ist. Es nimmt ab, wo es eine eher gemischte Ausgangslage der Wirtschaft gibt.

STANDARD: Kann man sagen, dass die Länder im Norden Europas eher zu diesen Freihändlern gehören, die Briten, die Schweden, die Iren?

Beyrer: Das ist so. Aber es gibt auch andere Fälle. Bei Südkorea zum Beispiel haben wir eine sehr starke Skepsis der Autoproduzenten gehabt. Es gibt oft sektorielle Unterschiede. Was nun TTIP betrifft, war es bei uns, bei den Unternehmern aber eher so, dass alle dafür waren. Es gibt keinen einzigen Mitgliedsverband, kein Land, das grundsätzlich dagegen oder skeptisch ist. Und es gibt auch keinen einzigen Sektor, der ein Abkommen mit den USA ablehnt. Das ist auch für uns erstmals so.

STANDARD: Warum ist das so?

Beyrer: Weil die Chancen exorbitant hoch sind, sodass jeder der Auffassung ist, dass man es machen muss. Das hatten wir so noch nie.

STANDARD: Warum soll das bei den USA so sein? Gilt das nicht noch mehr für Asien, China beispielsweise, große Zukunftsmärkte?

Beyrer: Bei Asien gibt es selbstverständlich auch viele offensive Interessen, aber ebenso defensive. Bei China geht es im Moment nicht um ein Freihandelsabkommen, sondern um ein Investitionsschutzabkommen. Bei den USA ist es so, dass die Zahl jener, die von einem Abkommen profitieren, unvergleichlich größer ist als derjenigen, die etwas zu verlieren haben. Es ist nur eine philosophische Frage, ob nicht alle gewinnen könnten. Natürlich gibt es auch Verlierer, aber der Anteil der Gewinner ist exorbitant größer als der der Verlierer. Deshalb ist die Befürworterseite so groß, wobei man den Investitionsschutz, die Art, wie man das macht, ohne die Demokratie zu verletzen, sicher gesondert diskutieren kann. Wir sind dazu bereit, aber man sollte die Folklore wie das Chlorhuhn besser weglassen.

STANDARD: Sie schildern nun die wirtschaftliche Komponente. Gibt es auch andere Überlegungen?

Beyrer: Es gibt sicher auch strategische Überlegungen. Wenn ich mir die Hauptsäule der Kritik anschaue, dann hat das sicherlich mit der Kritik an der Globalisierung zu tun. Die kommt im Mantel von TTIP daher. Wir sollten auch darüber reden, dass die Globalisierung voranschreitet, unabhängig davon, ob TTIP nun kommt oder nicht.

STANDARD: In Österreich ist die Kritik besonders stark. Zwei Drittel der Bürger lehnen TTIP nach jüngsten Umfragen ab. Die Debatte erinnert in Teilen an die Diskussionen über den EU-Beitritt vor 20 Jahren, da ging es auch stark um die Folgen der Marktöffnung für Umwelt und Sozialpolitik. Sehen Sie da Parallelen?

Beyrer: Das stimmt. Das kommt oft in Diskussionen, wenn es um Österreich geht. Wir waren in Österreich immer skeptisch, zuerst bei der Efta, dann beim EU-Beitritt, dann bei der Ostöffnung.

STANDARD: Kein Wunder, das hat stark mit der Geschichte des Landes zu tun.

Beyrer: Mag sein, aber es gibt inzwischen sicher eine Generation, die jenseits der Sisi-Romantik ein eigenes Selbstbewusstsein entwickelt hat. Es wäre an der Zeit, dass wir uns mit den wirtschaftlichen Zusammenhängen etwas rationaler beschäftigen, weil die für die Zukunft des Landes wichtig sind.

STANDARD: Ist nicht bei den heutigen TTIP-Verhandlungen genau das passiert, was vor 20 Jahren in der österreichischen EU-Debatte passiert ist: Befürworter und Gegner stehen sich hart gegenüber, es gibt nur Schwarz und Weiß, kaum differenzierte Haltungen, und die Bürger sind zu Recht skeptisch, weil sie sich schlecht informiert fühlen?

Beyrer: Beim Thema TTIP ist man sehr früh mit "Raubersgschichten" dahergekommen, wie man in Österreich sagen würde.

STANDARD: Stichworte Chlorhuhn, genetisch veränderte Lebensmittel, Aushebelung der Demokratie ...

Beyrer: Der Fehler, der passiert ist, war bestimmt, dass ganz am Anfang technische Fragen auf einmal zum Politikum geworden sind. Darauf war niemand so richtig vorbereitet.

STANDARD: Gilt das auch beim außergerichtlichen Streitbeilegungsmechanismus zum Schutz der Investoren, dem ISDS? Hat man das zu technisch gesehen, die Brisanz nicht erkannt?

Beyrer: Nein. Es ist zu einem Politikum geworden, obwohl es diesen Mechanismus schon ewig gibt und obwohl ihn die europäischen Firmen viel mehr anwenden als die amerikanischen. Auch beim ISDS sagt kein Mensch, dass das, was in den 1950er-Jahren erfunden wurde, heute noch immer der Weisheit letzter Schluss ist. Wir sind absolut bereit und auch interessiert daran, dass man das löst, wenn man das in TTIP anders nimmt und ein Paket schnürt, das den Kriterien des 21. Jahrhunderts entspricht. Ceta, das Abkommen mit Kanada, war diesbezüglich schon ein erster Schritt in diese Richtung.

STANDARD: Warum also diese Polarisierung?

Beyrer: Weil manches von der falschen Ecke her diskutiert wird. Aber es gibt bei uns absolut die Bereitschaft, darüber zu diskutieren. Aber einfach zu sagen, dieser Mechanismus bedeute das Ende der Demokratie, und Konzerne könnten ganze Staaten aushebeln, das ist einfach Unsinn. Es stellt niemand demokratische Entscheidungen infrage. Es geht dabei um Fälle, wo es um letztmögliche Maßnahmen geht, um die ganz wenigen Fälle, wenn ein Unternehmen sich in seinen Rechten gröblich verletzt und enteignet sieht, wenn es diskriminierend erfolgt. In solchen Fällen soll es eine Entschädigung geben. Wenn man das vernünftig diskutiert, wie in Skandinavien geschehen, kann das zu guten Lösungen führen.

STANDARD: Sie erwarten also, dass der Investitionsschutz kommt, aber in einer anderen Form als bisher, mit mehr Rücksicht auf die rechtsstaatlichen Strukturen?

Beyrer: Wir sagen, Handel ist sehr wichtig, aber Investitionen sind ebenso wichtig. Nur auf diese Weise schafft man entsprechend Jobs. Wenn man Investitionen anziehen will, muss man sie schützen. Das ist eine alte Geschichte. Es gibt ja auch noch andere Argumente, die bei TTIP dafür sprechen. Wir Europäer wollen ein Abkommen mit China mit einem Schutz für unsere europäischen Investoren. Es sollte nicht eine Situation entstehen, in der die Chinesen sagen können, wir können uns brausen gehen, weil wir das mit den USA auch nicht vereinbart haben. Das sind zusätzliche strategische Überlegungen, die man zu TTIP anstellen sollte, auch wenn das einer breiten Öffentlichkeit nicht so leicht zu vermitteln ist.

STANDARD: Die Kritiker sagen, es bestehe aber die Gefahr, dass vor allem US-Interessen in Europa geschützt werden sollen.

Beyrer: Das ISDS wird vor allem von den Europäern stark genützt. Aber zurück zu China. Man wird kein Investorenschutzabkommen mit den Chinesen machen ohne ISDS. Man braucht dort eine von der chinesischen Justiz unabhängige Instanz, die strittige Fälle löst. Das Gefährliche an der Debatte darüber ist, dass Einwände auf den ersten Blick so überzeugend aussehen. Zum Beispiel sagt man, wir haben doch die Gerichtshöfe, wozu brauchen wir einen außergerichtlichen Streitbeilegungsmechanismus? Das sagt man so leicht. Dann sollte man aber dazusagen, dass gerade amerikanische Gerichte das Prinzip der Nichtdiskriminierung nicht anwenden, weil es das im US-Rechtssystem nicht gibt. Sie fühlen sich zur Anwendung in internationalen Verträgen daher auch nicht berufen. Das heißt, ein Europäer kann sein Recht in den USA nicht so einfach durchsetzen.

STANDARD: Wie beurteilen Sie denn die laufende Debatte zu TTIP in Österreich zwischen den Parteien und Interessengruppen?

Beyrer: Mein Hauptaugenmerk ist eher darauf gerichtet, dass ich international oft gefragt werde, wieso Österreich so stark gegen TTIP ist, wo es doch zu den Hauptprofiteuren gehören würde. Das versteht von außerhalb Österreichs kaum jemand. Das ist rational schwer zu erklären.

STANDARD: Warum wäre Österreich ein so starker Profiteur?

Beyrer: Weil Österreich eine kleine, offene Volkswirtschaft ist, die exportorientiert ist. Es werden Wachstum und Jobs geschaffen, es ist strategisch wichtig, davon bin ich zutiefst überzeugt. Wenn wir das nicht zusammenbringen, wird Europa einen Bedeutungsschwund erleiden. Irgendwann wird es eine Freihandelszone um den Pazifik geben, wenn vielleicht auch nicht in den nächsten zehn Jahren. Das heißt, der transatlantische Raum würde an Bedeutung verlieren, dann würden sich die Schwergewichte verlagern. Daran können wir kein Interesse haben. Der dritte Punkt sind die Konsumenten, es wird mehr Auswahl an Produkten geben.

STANDARD: Warum soll Österreichs kleinräumige Wirtschaft profitieren?

Beyrer: Es wird Vorteile speziell für die Klein- und Mittelbetriebe bringen, die das Herzstück der Wirtschaft ausmachen. Es wird oft übersehen, dass die Konzerne auch heute schon viel leichter mit dem Handel mit den USA umgehen können, weil sie eine gewisse Größe haben. Sie haben das Know-how, entsprechende Rechtsberatung, sie können die Anwälte zahlen, wenn es Probleme gibt. KMUs können das nicht so einfach. Diese mittleren produzierenden Unternehmen, die super sind, die hervorragende Produkte herstellen, die tun sich leichter, wenn sie auf größere Märkte gelassen werden.

STANDARD: Wo sind die Probleme dieser "Kleinen" auf dem US-Markt.

Beyrer: Es gibt heute Firmen, die sich gar nicht mit der Frage des Zugangs in die USA beschäftigen, weil sie sich überfordert sehen. Sie würden von einem Abkommen profitieren. Das beginnt beim Zugang zu Informationen, beim Abbau der administrativen Hürden, und geht weiter über die Vereinfachung von Testverfahren. Es ist oft so, dass der amerikanische und der europäische Rechtsetzer davon ausgehen, dass die Art, wie er es macht, die einzig mögliche Art ist. Da gäbe es viel zu gewinnen.

STANDARD: Ein konkretes Beispiel, bitte.

Beyrer: Wir haben zum Beispiel vor kurzem bei einer Präsentation einen dänischen Erzeuger von Trolleys gehabt, solchen Wägelchen aus Metall, mit denen man Fleisch und Brot transportiert. Die sind natürlich Lebensmittelstandards unterworfen, aber die sind in den USA anders als in Europa. Für diesen Hersteller stellt sich das Problem, dass er eine eigene Produktionslinie fahren müsste, Tests machen müsste et cetera. Solche Hürden kann man durch ein Abkommen überwinden.

STANDARD: Was begegnen Sie den Kritikern, die auf eine Verminderung von sozialen Standards in Europa hinweisen, die sich durch eine Öffnung Richtung USA ergeben? Es werden ja Arbeitsplätze verschwinden.

Beyrer: Es wird nicht nur Gewinner geben, sondern auch Verlierer, das ist klar. Aber der Nettoeffekt auf der Gewinnerseite wird sehr gut sein. Es kommen zum Teil Argumente, die absurd sind. Es gibt keine einzige belastbare Studie, die von einem Verlust an Arbeitsplätzen ausgeht, zumindest bei den seriösen Studien. Es wird einen Zusatz an Wachstum geben, und damit auch einen Zuwachs an Jobs.

STANDARD: Gilt auch dabei, dass das vor allem von den KMUs kommen wird, weniger von den Konzernen?

Beyrer: Ganz sicher sogar, weil eben die KMUs von den transatlantischen Märkten eher ferngehalten werden, weil für sie die Hürden höher sind. Es werden viele, die reingeschnuppert haben, dann auch ihre Geschäfte machen. Das haben wir in Österreich übrigens auch mit dem EU-Beitritt gesehen. Die Firmen müssen sich bewähren, sie gingen nach Europa, und das war dann ein Trainingsfeld, um noch weiter in die Weltmärkte zu gehen. Wenn sich jemand in den USA bewährt, wird er dann auch in andere Märkte weitergehen.

STANDARD: Wer werden die Verlierer sein?

Beyrer: Wir hatten bei bisherigen Handelsabkommen oft den Umstand, dass im Lebensmittelbereich oder bei der Autoindustrie Einbußen kamen. Aber ganze Sektoren als Verlierer wird es mit den USA nicht geben, wenngleich weniger effiziente Unternehmen eher verlieren werden als wettbewerbsfähige. Das ist der normale Effekt der Marktwirtschaft. Wichtig ist, dass der Nettoeffekt insgesamt positiv bleibt.

STANDARD: Gibt es ganze Länder, die eher Verlierer sein werden?

Beyrer: Bei TTIP nicht. Alle Staaten haben offensive Interessen. Wir haben eher das Problem, dass wir in den Vordergrund stellen, was alles nicht geht. Das führt dazu, dass die Amerikaner dann sagen, wir hätten da auch noch eine Liste, was alles nicht geht. Das stört uns. Ich bin über die Dynamik der Verhandlungen nicht glücklich, aber so was kann man sich nicht aussuchen.

STANDARD: Was ist heikel für die Europäer?

Beyrer: Ganz wichtig werden die geografischen Herkunftsbezeichnungen sein, dass man die erhält. Etwa: Heißt der Champagner nur dann so, wenn er aus der Champagne kommt, der Parmaschinken so, wenn er aus Parma kommt? Solche Dinge sind zu klären.

STANDARD: Für die Amerikaner schwer zu verstehen, oder?

Beyrer: Das stimmt, aber wir haben im Abkommen mit Kanada gesehen, dass es dafür Lösungen gibt. Zwei Drittel der strittigen Fragen konnten geklärt werden bei den Herkunftsbezeichnungen. Bei diesem Ceta gilt übrigens, dass es ein hervorragendes Abkommen ist. Es gibt uns Unterstützung beim Zugang zu öffentlichen Aufträgen, was den Amerikanern gar nicht so gefällt.

STANDARD: Wie wichtig ist der Bereich der öffentlichen Aufträge in den USA aus Sicht der Wirtschaft?

Beyrer: Extrem wichtig. Es ist das der zweitgrößte Markt der Welt nach jenem in Europa, und es ist nicht leicht für europäische Firmen, da hineinzukommen. Durch unsere negative Debatte über TTIP nehmen wir uns aber viel Wind aus den Segeln.

STANDARD: Europa tickt eben anders. Haben Industrielobby und die EU-Kommission schlicht übersehen, dass man derartige Abkommen nicht mehr abseits der öffentlichen Debatte aushandeln kann? Vor ein paar Jahren hat sich zum Beispiel noch kaum jemand für das Korea-Abkommen interessiert, außer Insidern. Warum?

Beyrer: Es ist gut, wie die Kommission darauf reagiert hat, indem sie sagte, sie werde für größere Transparenz sorgen. Kommissarin Cecilia Malmström ist sehr kommunikativ, die lebt das. Es ist aber auch nicht so, dass Handelsabkommen immer die breite Öffentlichkeit sehr interessieren, wie zum Beispiel die Verhandlungen mit Japan.

STANDARD: Was können Sie beitragen zu einer Verbesserung der Debatte?

Beyrer: Wir sind jederzeit gesprächsbereit, aber wir wollen eine sachliche Debatte. Wir sind auch für hohe Standards, es ist oft gesagt worden, dass die im Lebensmittelbereich nicht abgesenkt werden sollen. Beide Seiten, die USA und Europa, behaupten ja, sie machen es richtig. Da muss man kreative Lösungen finden. Nehmen Sie das Chlorhuhn: Die Amerikaner sind fest davon überzeugt, dass sie höhere Standards haben, weil sie mit der Desinfektion weniger Salmonellen haben. Aber das Chlorhuhn kommt in Europa ohnehin nicht. Und dazu kommt, es gibt auch Bereiche, wo die USA durchaus höhere Standards haben.

STANDARD: Die zweite große Kritiklinie in Europa sind Umweltstandards, Stichwort Fracking.

Beyrer: Auch die Umweltstandards wie zum Beispiel die Nachhaltigkeit sollen, so wie die Sozialstandards auch, in Europa erhalten bleiben. Ob man die USA zwingen kann, bestimmte Konventionen zu ratifizieren, die sie bisher verweigert haben, weiß ich nicht. Es stellt sich die Frage, ob ein Handelsabkommen dafür das richtige Instrument ist.

STANDARD: Wie wird es weitergehen, was den Zeitablauf betrifft? Wann werden die Verhandlungen abgeschlossen?

Beyrer: Ziel ist es, dass man noch heuer oder Anfang nächsten Jahres zu einem Abschluss kommt, was nicht heißt, dass es eine Leichtvariante von TTIP geben wird. Alle Elemente liegen auf dem Tisch. Es wird nicht reichen, nur die Zölle zu streichen. Es geht um die ganze Regulatorik, wir wollen auch das Energiekapitel drinnen haben, das öffentliche Beschaffungswesen. All das ist zu klären. Es hängt auch davon ab, ob der US-Präsident die Erlaubnis bekommt, ein schnelles Verhandlungsverfahren, das TPA, anzuwenden. (Thomas Mayer, derStandard.at, 5.3.2015)