Wien – ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka hat nach Veröffentlichung des Evaluierungsberichts die Weiterführung der Neuen Mittelschule infrage gestellt: "Warum soll man krampfhaft etwas weiterführen, wenn die Ziele nicht erreicht werden?", sagte Lopatka der "Kronen Zeitung" vom Donnerstag. In den Bundesländern plädiert man dagegen für eine Weiterführung.
Die Tiroler Bildungslandesrätin Beate Palfrader (ÖVP) zeigte sich gegenüber der APA "weder überrascht noch erfreut" über das Ergebnis der Evaluierung. Die Ergebnisse seien natürlich nicht erfreulich, aber auch nicht aussagekräftig genug. Sie bedauert, dass man bei der Evaluierung nur die ersten beiden Generationen (G 1 und G 2) betrachtet habe – also die Startphase –, nicht aber die folgenden Generationen.
"Systemänderung braucht Zeit"
Seit damals seien schließlich massive Änderungen passiert. Sie hätte sich "Zwischenevaluierungen" gewünscht, meinte Palfrader. "Jede Systemänderung braucht Zeit, bis sie wirkt." Es gelte, dem Schultyp Zeit zu lassen. Man wisse aber auch, dass einiges zu verbessern sei. Es brauche etwa Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen für Pädagogen. Zudem wünscht sich Palfrader einen stärkeren Einsatz von Personalressourcen, um besser auf Begabungen und Neigungen der Schüler eingehen zu können. Die Schulen sollten überdies vor Ort im Sinne einer stärkeren Autonomie über zusätzliche Ressourcen entscheiden können.
"Modell hat Erfolgspotenzial"
Der steirische Bildungslandesrat Michael Schickhofer (SPÖ) bescheinigt der NMS gute Chancen: "Das Modell der Neuen Mittelschule hat auf jeden Fall Erfolgspotenzial – das zeigen alle Schulen, an denen die pädagogischen Konzepte wie das Teamteaching und Übungsbeispiele mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad in die tägliche pädagogische Arbeit eingeflossen sind." In der Umsetzung habe sich aber herausgestellt, dass gerade Teamteaching die Pädagogen vor teilweise große Probleme stellt. Daher seien die Begleitung der Schulen im Qualitätsmanagement und die Fortbildung der Lehrer entscheidend für den Erfolg der NMS. "Da liegt noch viel Arbeit vor uns."
Kaiser: Langfristig Ganztagsschule
Für Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) sollte das Ergebnis des Evaluationsberichts "ein Weckruf für alle Beteiligten" sein. Die Bemühungen müssten intensiver werden, ein Umbruch jahrzehntelang eingefahrener Strukturen sei nicht "per Fingerschnippen" möglich, die Neue Mittelschule jedoch ein erster richtiger Schritt. "Langfristig muss es das Ziel einer verantwortungsbewussten Bildungspolitik sein, das Angebot von Ganztagsschulen mit verschränktem Unterricht flächendeckend auszubauen", so Kaiser.
Kompatscher: Kein Freudenfeuer, aber weitermachen
Für Christian Kompatscher, den Koordinator der Neuen Mittelschule in Vorarlberg, ist der Evaluationsbericht "kein Grund für ein Freudenfeuer, aber ein Grund, den Weg weiterzugehen". Er habe von allem Anfang an nicht die hohen Erwartungen gehegt, dass sich die schulischen Leistungen gleich stark verbessern würden. Dazu seien auch die Rahmenbedingungen für den Schulversuch zu schnell verändert worden.
Die Richtung aber – die leichte Tendenz zu weniger Risiko, dafür mehr Spitzenschülern – stimme, "auch wenn wir noch einen langen Weg vor uns haben". Nicht optimal gelöst sei die Frage der Beurteilung. Weiters müsse man Instrumente erarbeiten, mit denen man rasch erkennen könne, "wo Kinder Defizite beim Lernen haben".
Niessl: Länderergebnisse sollen veröffentlicht werden
Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) tritt dafür ein, im Rahmen der Evaluierung der NMS auch Länderergebnisse zu veröffentlichen. Er sei überzeugt, dass es im Burgenland "deutlich bessere Ergebnisse" gebe als in anderen Bundesländern und halte es "für nicht angebracht, dass die Pädagogen in einen Topf hinein kommen und diese Leistung nicht honoriert wird".
Im Burgenland gebe es mit Mattersburg, Markt Allhau und Oberwart Schulen mit "österreichweitem Vorbildcharakter", die anderen 38 Neuen Mittelschulen (im Burgenland, Anm.) hätten dieses System übernommen. Zur Verbesserung der Situation schlägt Niessl vor, die Schulautonomie zu erhöhen sowie die Aus- und Fortbildung der Pädagogen zu verbessern. Außerdem müsse es eine zentrale Stelle zur Überprüfung der Qualität und der Einhaltung der Bildungsziele geben.
Oxonitsch lobt Wiener Modell
Auch die Wiener Bildungspolitik ist sich sicher, dass "ihr" NMS-Modell zu den besseren zählt: "Wir haben in Wien mit der Wiener Mittelschule ein Modell entwickelt, das in der Evaluierung zu jenen Schulen zählt, die gut abschneiden", so der Wiener Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch (SPÖ).
"Mehr als enttäuschend" ist für die oberösterreichische Bildungs-Landesrätin Doris Hummer (ÖVP) dagegen das Ergebnis der NMS-Evaluierung. "Es zeigt sich einmal mehr, dass Reformen scheitern, wenn sie nur von oben herab verordnet werden", so Hummer in einer Aussendung. Man müsse die Lehrer vor Ort einbinden: "Reformen, die am Papier funktionieren, müssen in der Praxis noch lange nicht richtig sein. Reformen kann man nur mit den Menschen und nicht über sie machen."
In der Salzburger Schulbehörde hält man die Neue Mittelschule dagegen für deutlich besser als es die aktuelle Evaluierung vermuten lässt. Kritischer ist der auch für Bildung zuständige Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP): "Nach diesem ernüchternden Ergebnis kann man nicht zur Tagesordnung übergehen.
Niederösterreichs Bildungslandesrätin Barbara Schwarz (ÖVP) hält es angesichts des Evaluierungsberichts für einen großen Fehler, dass das NMS-System "viel zu schnell" implementiert worden sei, statt das Modell im Schulversuch langsam auszurollen und dabei aus Fehlern zu lernen.Ein Zurück zur Hauptschule ist für Schwarz aber nicht zielführend. (APA, 5.3.2015)