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Auch wenn Chinas Wirtschaftswachstum etwas schwächelt, soll zumindest der Militärhaushalt weiterhin aller Stückerln spielen.

Foto: EPA/WU HONG

China verliert seine Rolle als Lokomotive für die Weltkonjunktur, weil der eigenen Wirtschaft der Dampf ausgeht. Premier Li Keqiang bestätigte am Donnerstag vor dem Pekinger Volkskongress erstmals, dass die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt in eine Ära niedrigen Wachstums eingetreten ist und vor "latenten Gefahren" für ihre Stabilität steht. Er nannte es Chinas "neue Normalität".

In seiner 100 Minuten langen Rede verwendete Li mehrfach den Begriff des "Abwärtsdrucks". Das Wachstum werde künftig nur noch um sieben Prozent liegen. Für den Premier ist es eine Untergrenze, um sein Land in stabilen Verhältnissen zu halten. Mit weniger Wachstum geraten seine Pläne in Gefahr, 2015 zehn Millionen benötigte Arbeitsplätze zu schaffen oder mit den als neuer Rekord erwarteten 7,5 Millionen Schulabsolventen fertigzuwerden.

Militärische Aufholjagd

Trotz aller Konjunkturprobleme aber soll der neue Militäretat um 10,1 Prozent auf umgerechnet rund 127 Milliarden Euro wachsen. Die Zunahme steht nicht nur weit über den sieben Prozent Wachstum, sondern auch über nur noch geplanten sechs Prozent Plus im Im- und Exportvolumen.

Im Vorfeld der Bekanntgabe des Wehretats betonten Sprecher und Staatsmedien die friedlichen Absichten der Armee. Zudem falle die Steigerung der Armeeausgaben 2015 so niedrig wie noch nie in fünf Jahren aus. Im Vergleich zu rund 550 Milliarden Euro, die die USA 2013 in ihr Militär investierten, würde sich die Zahl noch immer bescheiden ausnehmen.

Doch der Etat für das Pentagon stagniert. Wie das Stockholmer Friedensforschungssinstitut Sipri berechnet hat, holt China als Nummer zwei Jahr für Jahr auf. Premier Li nannte neben den Aufgaben, die Souveränität und Sicherheit des Landes zu schützen, auch die "Verteidigung der Entwicklungsinteressen", ohne diesen neuen Begriff zu erklären. Soll die Armee im Konfliktfall künftig außerhalb Chinas Grenzen etwa die Sicherheit von Handelsrouten schützen? Oder chinesische Ölhäfen, Seidenstraßen und Auslandsinvestitionen? Zudem solle es Geld für die "Entwicklung von neuen und hochtechnologischen Waffensystemen und Ausrüstungen" geben.

Allgemeine Aufrüstung

Chinas Nachbarn zeigen sich auch angesichts der wachsenden Territorialinteressen Chinas besorgt. Staaten wie Indien, Japan, Vietnam oder die Philippinen rüsten ebenfalls weiter auf. Hanoi erhielt etwa gerade das dritte von sechs in Russland bestellten U-Booten.

Beteuerungen Pekings, die Probleme mit seinen Anrainerländern friedlich lösen zu wollen, wurden jüngst infrage gestellt. Satellitenbilder zeigen, wie Chinas Marine Atolle im Gebiet der Spratley-Inseln im Südchinesischen Meer zu Stützpunkten ausbaute.

Überraschend zitierte Li einen Grundsatz von Reformarchitekt Deng Xiaoping: Für China, das "eines der größten Entwicklungsländer der Welt ist", müsse die Konzentration auf seine Entwicklung "von vorrangiger Bedeutung" sein. Das steht im Widerspruch zu den zugleich angekündigten "Go-global-Plänen", künftig die Welt mit "Seidenstraßen" und Wirtschaftskorridoren zu überziehen. (Johnny Erling aus Peking, DER STANDARD, 6.3.2015)