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Kim Jong-un mit Zigarette.

Foto: REUTERS/KCNA

Er tut es im Krankenhausbett, beim Raketentest und sogar im Privatjet: Es gibt kaum ein Pressefoto, auf dem Kim Jong-un nicht den obligatorischen Tschick in der Hand hält. Und wenn er sich einmal doch keine angesteckt hat, fummelt der Jungdiktator mit seiner rechten Hand nervös in der Manteltasche herum – dort, wo die Zigarettenpackung steckt. Nein, der Liebhaber von purem Wodka und Schweizer Käse gibt für seine Bevölkerung kein gutes Vorbild ab, wenn es um einen bewussten Lebenswandel geht.

Ausgerechnet eine Britin soll das nun ändern. Judith Mackay führt seit mehr als drei Jahrzehnten einen leidenschaftlichen Kampf gegen die verbliebenen Tabakparadiese auf diesem Planeten. Das vornehmliche Einsatzgebiet der Wahl-Hongkongerin ist Ostasien. Einst versuchte sie den damaligen chinesischen Staatschef Deng Xiaoping dazu zu überreden, das Rauchen in der Öffentlichkeit aufzugeben. Nun ist also Kim Jong-un an der Reihe. "Zum jetzigen Zeitpunkt hat Nordkorea die einzigartige Möglichkeit, diese Epidemie auszurotten", sagte Mackay jüngst in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Bloomberg. Tatsächlich ist das Land für Gesundheitsaktivisten wie Mackay ein überaus hartes Pflaster.

Mehr die Hälfte der männlichen Bevölkerung Nordkoreas raucht. Die meisten werden während ihres zehnjährigen Militärdienstes sozialisiert. In kaum einen Land der Welt erkranken mehr Leute an Lungenkrebs.

Eigentlich wollte Mackay nur ihre Neugier befriedigen, als sie sich 2002 für ein Touristenvisum nach Nordkorea bewarb. Als die Behörden jedoch von ihrem Engagement als WHO-Mitarbeiterin erfuhren, wurde ihr ein seltener Regierungsbesuch gestattet. Seitdem gibt sie ihr Wissen ans Kim-Regime weiter. Als erste Maßnahmen für ein gesundes Nordkorea sollen rauchfreie Zonen und Preiserhöhungen eingeführt werden. Derzeit kostet ein Packerl erschwingliche 20 Cent.

Hanf ist keine Droge

Dabei rauchen Nordkoreaner nicht nur liebend gern ihr "blaues Gras", wie sie die Tabakblätter nennen. Schon der eine oder andere Tourist hat sich über einen süßlichen Geruch in der Luft gewundert. Andere berichten davon, wie sie in privaten Vorgärten über kleine Plantagen gestolpert sind. Ja, viele Nordkoreaner gönnen sich nach harten Arbeitstagen gerne mal einen Feierabend-Joint. Marihuana gilt offiziell nicht als Droge und wächst in weiten Teilen auf dem Land in offener Natur. All das macht die Pflanze mit dem THC-Stoff zum günstigsten Weg, sich zu berauschen.

Noch unter Staatsgründer Kim Il-sung galt das Gesundheitssystem geradezu als vorbildlich. In seiner 46-jährigen Amtszeit hat sich die Lebenserwartung der Bevölkerung gar verdoppelt. Erst zu Zeiten der Hungersnot in den 90er-Jahren breiteten sich ansteckende Krankheiten wie Malaria wieder aus. Damals dienten Zigaretten unter der Bevölkerung auch dazu, das ständige Hungergefühl zu betäuben.

Mittlerweile gelten ausländische Zigaretten als Statussymbol für die urbane Oberschicht. Seinen Parteikadern hat Kim Jong-un die unpatriotischen Zigaretten jedoch bereits letztes Jahr verboten.

Für ihn selbst müssen es die "727" sein, die nach jenem Tag benannt sind, an dem der Koreakrieg 1953 mit einem Waffenstillstand am 38. Breitengrad endete. Dass Kim in aller Öffentlichkeit raucht, hindert ihn jedoch nicht daran, in Fernsehclips die Vorzüge von Fischprodukten zu preisen und öffentliche Fitnessanlagen zu präsentieren.

Vielleicht sollte er sich ja bei seiner Gesundheitsmission eine Scheibe bei der weiblichen Bevölkerungshälfte abschneiden: Die Raucherquote unter Frauen liegt nämlich bei sensationellen null Prozent – genau das besagt die offizielle Statistik. (Fabian Kretschmer, derStandard.at, 6.3.2015)