Die Ludendorff-Brücke bei Remagen. 1918 erbaut, im März 1945 von US-Truppen erobert. Ein Coup, der das Ende von Nazideutschland bedeutete, und ein dankbarer Stoff für Hollywood - könnte man meinen.

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Mehr Action als Historie: "Die Brücke von Remagen" streift bestenfalls die Ereignisse und setzt auf genretypische Effekte. Mittendrin als Major der Wehrmacht: Robert Vaughn.

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Zu welchem Zeitpunkt Nazideutschland den Zweiten Weltkrieg faktisch verloren hatte, ist eine Frage, an der sich bis heute die Geister scheiden. War es die Landung der Alliierten in der Normandie im Juni 1944? Der Untergang der 6. Armee in Stalingrad Anfang 1943? Der Amerikaner Walter Bedell Smith, im Zweiten Weltkrieg Generalstabschef von Dwight D. Eisenhower, des Oberbefehlshabers der alliierten Streitkräfte in Europa, hatte darauf eine klare Antwort: "Remagen" habe den Krieg entschieden. Genauer: die Einnahme der Rhein-Brücke in Remagen vor 70 Jahren, am 7. März 1945.

Das letzte Kriegsjahr, Anfang März. Die Alliierten dringen in die Rhein-Ebene vor, die dortige deutsche Heeresgruppe B befindet sich in Auflösung. Der Rückzug über den Rhein und die Sprengung der noch vorhandenen Brücken sollen den alliierten Vormarsch zum Stoppen bringen - der Rhein als letzte Haltelinie.

Jedes Mal, wenn sich Vorauskommandos der Briten und Amerikaner den Brücken über den Strom nähern, antwortet die Wehrmacht mit Sprengung. Alle Übergänge werden bis Mitte März 1945 zerstört - bis auf eine: die Ludendorff-Brücke in Remagen bei Bonn, eine 1918 fertiggestellte Eisenbahnbrücke.

Als ein US-Vorauskommando am 7. März durch das rheinische Vorgebirge zu dem 50 Kilometer südlich von Köln gelegenen Ort vorstößt, rechnet kein GI damit, die Brücke intakt vorzufinden. Doch die Soldaten des "Combat Command B" der 9. US-Panzerdivision trauen ihren Augen kaum, als sie durch ihre Feldstecher blicken: Die Brücke, keine zwei Kilometer entfernt, steht noch.

Für Hollywoods Filmindustrie war der Coup von Remagen ein unwiderstehlicher Erzählstoff. 1968 nahm sich Metro-Goldwyn-Mayer der Story an. Das Drehbuch von The Bridge at Remagen orientierte sich bestenfalls an den historischen Ereignissen, Regisseur John Guillermin sollte ein aufwändiges, letztlich aber genretypisches Kriegsepos inszenieren. Mit George Segal, Robert Vaughn und Peter van Eyck konnten hochkarätige Stars jener Zeit für die Hauptrollen gewonnen werden.

Panzer vom Bundesheer

Die Frage war nur: Welche Brücke sollte als die von Remagen dienen? Die Ludendorff-Brücke gab es nicht mehr, die Suche nach Ersatz war vertrackt. Produzent David Wolper wurde hinter dem Eisernen Vorhang fündig, im Städtchen Davle, 20 Kilometer südlich von Prag. Dort führte eine kleine Autobrücke über die Moldau, Bauart und Panorama waren ideal. Die tschechoslowakische Regierung unter dem Reformer Alexander Dubcek war an Westkontakten und Devisen interessiert.

Böhmen entpuppte sich für MGM als ein Fundus für Wehrmachtsrequisiten, bauten doch die Tschechen in den vormals deutschen Rüstungsfabriken die Halbkettenfahrzeuge der Wehrmacht unter neuem Namen weiter.

Was fehlte, lieh MGM bei Österreichs Armee aus: acht US-Aufklärungspanzer, drei Halbkettenfahrzeuge, drei Panzerwagen, acht Militärlaster und sechs Willys-Jeeps. Die Prager Barrandov-Studios steuerten 200 Techniker und fast 5000 Statisten bei. Die GI-Komparsen wurden mit US-Waffen ausgestattet, ebenfalls geborgt vom österreichischen Bundesheer.

Den Kampf um die Innenstadt von Remagen verlegte MGM nach Most. Dort, im früheren Sudetenland, bot sich eine einmalige Gelegenheit: Die Altstadt sollte ohnehin dem Braunkohletagebau weichen, ganze Straßenzüge mussten weg. Also ließen die Tschechen die Hollywood-Truppe den Abriss erledigen. Filmtechniker legten mithilfe von TNT und Dynamit reihenweise Gebäude in Schutt und Asche, während dazu die Filmsoldaten Krieg spielten.

Auch in Davle an der Moldau wurde echtes TNT gezündet, um Fontänen zu erzeugen, während die Stuntmen von der Brücke fielen. Andere Kaskadeure sprangen bei Tempo 50 vom Militärmotorrad oder überschlugen sich in brennenden Jeeps - bis sich in Prag die Ereignisse überschlugen.

Im März 1945 hat der Wehrmachtsmajor Hans Scheller das Kommando über die Ludendorff-Brücke, der sie für die zurückströmenden deutschen Truppen möglichst lange offen halten will. Einheiten zur Verteidigung sind kaum vorhanden, die Sprengung wird bereits vorbereitet. Als der US-Abschnittskommandeur erfährt, dass die Brücke noch steht, befiehlt er, sie sofort einzunehmen. Für die GIs mutet der Auftrag wie ein Todeskommando an. Sie wissen nicht, dass die Feindkräfte nur aus 36 Mann einer Genesenden-Kompanie, ein paar Brückenpionieren und Flak-Helfern bestehen. Und sie müssen damit rechnen, dass die Brücke unter ihren Füßen in die Luft gejagt wird.

Major Scheller am Drücker

Der deutschstämmige Leutnant Karl H. Timmerman erhält den Auftrag, mit seiner Kompanie die Brücke zu stürmen. Was die GIs nicht wissen: Die Verteidiger haben statt der georderten 600 Kilo Pioniersprengstoff nur 300 Kilo minderwertigen Industriesprengstoff zur Verfügung. Während sich Timmermans Truppe zum Sturm bereitmacht, ordnet Major Scheller die Hauptsprengung an. Doch nichts tut sich. Ein deutscher Unteroffizier rennt auf die Brücke und löst die Reservezündung aus. Jetzt explodiert die Ladung, Rauch und Staub hüllen die Brücke ein, jeder rechnet mit dem Einsturz. Die Brücke bebt, hebt sich aus den Lagern - in die sie aber wieder zurückfällt.

Ganz anders in der Tschechoslowakei im Sommer 1968: Am 20. August startete die Sowjetunion eine Operation, die zumindest die politische Welt aus den Angeln hob: die Niederschlagung des "Prager Frühlings". Etwa 500.000 Soldaten der Sowjetunion, Polens, Ungarns und Bulgariens marschierten in die CSSR ein. Dass in Prag, Most und Davle amerikanische Hollywood-Truppen standen, war den Invasoren längst bekannt. Ab Juli 1968 streuten Staatsmedien in Ostberlin und Moskau Gerüchte, die die Dreharbeiten als Tarnoperation der CIA denunzierten.

Als Herstellungsleiter Milton Feldman um fünf Uhr früh aus dem Fenster seines Prager Hotels sah, stand ein echter Krieg vor der Tür. "Russische Panzer waren bereits in den Straßen", erinnerte sich Feldman später. Von Produzent Wolper kam telefonisch die Direktive: Alle evakuieren! Bis 14 Uhr hatte sich vor dem Hotel in Prag ein Konvoi aus 21 Autos und einem Lastwagen gebildet. 89 Filmleute waren an Bord. Die US-Botschaft lieferte den notwendigen Sprit in Fässern.

In wilder Fahrt machten sich die Flüchtlinge Richtung Österreich auf. Angst lösten vier sowjetische Hubschrauber aus, die kurzzeitig über der auf 40 Fahrzeuge angewachsenen Kolonne kreisten. Doch die Rotarmisten ließen den Konvoi ungehindert ziehen. In Freistadt in Oberösterreich wartete Wolper bereits mit gecharterten Bussen. Das Produktionstagebuch des Films vermerkt für den 20. August 1968 lakonisch: "No shooting today because of shooting." Keine Aufnahmen wegen der Schießerei.

7. März 1945, 15.30 Uhr. Timmermans Männer rennen über die Brücke, treten mit den Füßen Sprengstoffreste von der Brücke, kappen Zünddrähte. Um 15.45 Uhr erreichen erste GIs das andere Brückenende. Die Deutschen haben sich in den Tunnel zurückgezogen, in dem auch Zivilisten ausharren. Sie fürchten, dass die GIs mit Panzern in den Tunnel schießen, in dem Wagons mit Munition und Kerosin stehen. Gegen 16 Uhr kapitulieren sie.

In den nächsten 24 Stunden schafft die U.S. Army 8000 GIs auf die andere Rhein-Seite, dazu Panzer und Geschütze. Die Deutschen versuchen hartnäckig, die Brücke zu zerstören. Kampfschwimmer, Treibminen, Bomberangriffe, V-Raketen, Artillerieangriffe - doch alle Versuche scheitern. Am 17. März 1945 stürzt die beschädigte Brücke von selbst ein und reißt 28 GIs in den Tod. Zu diesem Zeitpunkt hat die U.S. Army längst drei Behelfsbrücken über den Rhein gebaut.

Der deutsche Zusammenbruch wird um Wochen oder Monate beschleunigt. Binnen weniger Tage erreichen die Amerikaner Frankfurt. Bis Ende März 1945 sind alle vier US-Armeen über den Rhein.

Eher holprig lief es für die Remagen-Filmcrew nach ihrer Flucht im Jahr 1968. Erst zwei Drittel des Skripts waren im Kasten. Vor allem fehlten noch Szenen auf der Brücke und im Bahntunnel. Zunächst wurde in Hamburg weitergefilmt - und das mithilfe des tschechischen Filmpartners, der die an der Moldau zurückgelassenen Kostüme, Waffen und Ausrüstung halbwegs vollzählig nach Deutschland sandte. Wie überhaupt sich Moskau kulant zeigte: Zwei wichtige Aufnahmen durften die Amerikaner auf der Brücke von Davle nachfilmen.

Ausweichdreh beim Papst

Für die restlichen Brückenszenen trieb MGM eine Landschaft in Italien auf. Ausgerechnet bei Castel Gandolfo, unweit der Sommerresidenz des Papstes, wurde eine Attrappe der Ludendorff-Brücke über den Albaner See geschlagen und nochmals von den Kostüm-GIs erobert.

Cecil E. Roberts, ein pensionierter Colonel der U.S. Army, der im Krieg die Brücke von Remagen miterobert hatte und als militärischer Berater am Filmset war, fand zu dem Beinahe-Desaster des Jahres 1968 deftige Worte: "Zur Hölle, es hat uns nur zwei Tage gekostet, die Brücke von Remagen einzunehmen. Hier kostet es uns fast hundert Tage, das Ereignis nachzustellen", meinte Roberts am Set. Ironischer Nachsatz: "1945 hatten wir ja nur die Deutschen zurückzuschlagen. Damals mussten wir uns aber nicht gegen die Russen behaupten." (Kai Althoetmar, DER STANDARD, 7.3.2015)