Berlin - Je stärker der Staat christliche Kirchen unterstützt, umso weiter sind in der Bevölkerung Vorbehalte und Intoleranz gegenüber muslimischen Migrante verbreitet. Wie Berliner Forscher nun in einer Studie nachweisen konnten, stärken gesetzliche Regelungen wie der Schutz von Feiertagen, das Einziehen von Kirchensteuern oder konfessioneller Religionsunterricht an Schulen eine christliche Kulturidentität und erschweren damit die Integration anderer religiöser Gruppen.

Der Politikwissenschafter Marc Helbling vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und Richard Traunmüller von der Goethe-Universität Frankfurt am Main gründen ihre Analysen auf Daten aus der Schweiz, doch das Ergebnis träfe auch auf andere europäische Länder zu, meinen die Forscher. "Zwischen den 26 Kantonen variieren die religionspolitischen Regime ähnlich breit wie zwischen einzelnen westeuropäischen Ländern", erklärt Helbling. "Die Schweiz kann daher in dieser Frage als eine Art Labor für ganz Europa gelten."

Die als Working Paper im "Social Science Research Network" erschienene Studie zeigt: In Kantonen, die den christlichen Kirchen eine starke Stellung einräumen, neigen die Befragten eher zu Aussagen wie der, es gebe zu viele muslimische Einwanderer im Land. Sie vertreten auch eher die Ansicht, dass Angehörige der muslimischen Religion nicht das Recht haben sollten, Minarette zu bauen oder öffentlich ein Kopftuch zu tragen.

Symbole wichtiger als Geld

"Besonders interessant war für uns, dass symbolisch-kulturelle Aspekte wie etwa die Aufnahme des christlichen Kreuzes in eine Kantonsflagge bedeutsamer zu sein scheinen als konkrete finanzielle Unterstützung der Kirchen", berichtet Helbling. Offensichtlich würden in Gesellschaften, deren kollektive Identitäten und öffentliche Institutionen deutlich christlich geprägt sind, Muslime eher als Bedrohung wahrgenommen.

Um individuelle Einstellungen zu messen, haben die Wissenschafter Daten der schweizerischen Wahlumfrage von 2011 benutzt, in der 2.500 Schweizer zu ihrer Haltung zum muslimischen Kopftuch und zum Bau von Minaretten befragt wurden. Diese Daten wurden in Beziehung gesetzt zu Auswertungen der politischen Regulierung von Religion auf kantonaler Ebene. In Anlehnung an den international vergleichenden "Religion Support Index" von Jonathan Fox wurde unter anderem gemessen, ob Kirchen und kirchliche Hilfsorganisationen finanziell unterstützt werden, ob Kirchensteuern eingezogen werden, ob religiöse Feiertage gesetzlich geschützt sind oder ob religiöse Symbole auf kantonalen Flaggen vorhanden sind. (red, derStandard.at, 10.3.2015)