Straßburg - Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Ungarn wegen der Überfüllung seiner Gefängnisse verurteilt. Das Gericht in Straßburg gab am Dienstag der Klage von sechs Häftlingen aus Ungarn statt und sprach ihnen Schadenersatz für die Einschränkung ihrer Rechte in Höhe von 3.400 bis 26.000 Euro zu.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der ungarische Staat mit der Unterbringung der Kläger in zu kleinen und überbelegten Zellen gegen den Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen hat. Er verbietet unmenschliche und entwürdigende Behandlung.

Derzeit sind Ungarns Gefängnisse für insgesamt 12.500 Insassen ausgelegt. Tatsächlich sitzen aber 18.000 Menschen hinter Gittern. Von den sechs Klägern hatte nur einer in der Haft die nach EU-Standards vorgeschriebene Mindestfläche von drei Quadratmetern zur Verfügung. Die anderen mussten mit der Hälfte auskommen.

"Das Gericht kam zu der Schlussfolgerung", hieß es in einer Pressemitteilung, "dass der begrenzte Platz, der den sechs Häftlingen zur Verfügung stand, erschwert durch einen Mangel an Intimsphäre bei der Nutzung der Toiletten, durch die gegebenen Schlafmöglichkeiten, durch Insektenplagen, schlechte Belüftung und restriktiv gehandhabten Hofgang, eine entwürdigende Behandlung darstellte."

Das Gericht betrachtete das Verfahren der sechs Kläger als Musterprozess, nachdem 450 ähnliche Klagen aus Ungarn wegen unmenschlicher Haftbedingungen anhängig sind. Dies verweise auf den "wiederkehrenden und permanenten Charakter des angesprochenen Problems", hieß es in der Pressemitteilung. (APA, 10.3.2015)