Scheint aus einer ganz anderen Stadt kommend in Wien-Neubau gelandet zu sein: die Tapasbar Der Fuchs und die Trauben.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Von oben: Blunze mit Kren auf Topinamburpüree, eingelegtes Wurzelgemüse und Gyoza.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Das Lokal heißt Der Fuchs und die Trauben, nach einer Aesop-Fabel über Arroganz im Angesicht eigener Unzulänglichkeit. An sowas will man zwar kaum erinnert werden, der Seelenhygiene tut's aber hie und da ganz gut. Gell? Im Zweifel hält die neue Bar aber reichlich und gute Spirituosen bereit, um eventuellen Frust darob qualitätsvoll zu ersäufen. Die hat Patrick Reitermayer als Keeper über, Bruder Ken hingegen kümmert sich um das, was aus der offenen, in coolen Beige- und Grautönen gehaltenen Küche kommt.

Auch sonst weiß die neue Bude ziemlich geschmacksicher den Eindruck zu erwecken, in Wahrheit gar nicht in Wien zu sein. Sondern ganz woanders, wo niedrige Instinkte und Neidkomplexe nicht gar so hingebungsvoll - und ausweglos - gehegt werden. Das könnte aus der Nähe betrachtet schon auch damit zu tun haben, dass die betreibenden Brüder sich ihr junges Leben lang eben nicht nur Wien um die Ohren geschlagen haben.

Patrick war während seiner Ausbildung in Londoner Bars beschäftigt, Ken hat über Jahre in toskanischen Küchen gedient. Der Vater ist Österreicher, die Mutter Japanerin - offenbar tut es ganz gut zu wissen, aus wie verschiedenen Gesichtspunkten das Leben, eine Idee angegangen werden können.

Croquetas & Pimientos de Padrón

Im Küchenfenster ist eine mächtige, iberische Schinkenkeule für das Abschneiden von Hand aufgespannt, immer ein Vertrauen erweckendes Zeichen. Es gibt Croquetas aus Kartoffeln und Manchego, ganz bemerkenswert gute, außen krachknusprige, innen sanftcremige kleine Dinger, wie man sie sich in madrilenischen Bars nicht besser wünschen könnte. Es gibt sogar Pimientos de Padrón, die frittierten grünen Klein-Paprikas aus Galicien, die so wunderbar süßbitter im Mund zerplatzen. Dennoch ist das Lokal keine Tapasbar nach spanischem Vorbild.

Es gibt nämlich auch Blunze mit Kren auf Topinamburpüree, nach japanischer Art in Reisessig und Zucker eingelegtes Wurzelgemüse oder ganz wunderbare Gyoza mit einer Fülle aus Faschiertem, Frühkraut, Jungzwiebel und ordentlich Ingwer, die mit ihrer hauchdünnen, knusprig gebratenen Hülle fast an Wantan erinnern. Gutes, kosmopolitisch angehauchtes und mit Spaß an der Sache zusammengefügtes Essen, das noch dazu wenig kostet - Buden wie diese könnte die Stadt noch massig vertragen.

Die Tempura aus Okra und Süßkartoffel nimmt es mit ihrer federleichten, wie feines Glas berstenden Knusperhülle jederzeit mit allem auf, was unter selbem Namen sonst in Wien verkauft werden darf - warum es dazu statt klassischer Tentsuyu mit Rettich eine eher matte Wasabimayo gibt, bleibt aber ein Rätsel.

Die Fritz sind gut

Frittiert wird hier überhaupt mit beachtlicher Kunstfertigkeit, die Pommes frites mit gar köstlichem, hausgemachtem Ketchup sind von einer Eleganz, die den anderen, nominell noblicheren Köstlichkeiten um nichts nachsteht - wenn, dann im Gegenteil. Die Drinks sind mit Esprit und Haltung gemixt, es gibt Tegernseer vom Fass und allerhand gut kalkulierte offene Weine - einzig eine gekühlte Manzanilla würde man sich an einem weltläufigen Ort wie diesem noch wünschen wollen. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 13.3.2015)