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Gespaltene Erwartungen: Schon bei einem Besuch im Rahmen des Asean-Gipfels im Sommer forderten Sri Lankas Tamilen von Indiens Premier Modi mehr Einsatz für ihre Rechte. Dieser will im Ringen um Einfluss mit China aber Sri Lankas Regierung nicht verärgern.

Foto: REUTERS / Dinuka Liyanawatte

Delhi/Wien - Es sind keine gewöhnlichen Antrittsbesuche, die Indiens Premier Narendra Modi absolviert, wenn er ab Mittwoch seine Reise durch jenen Ozean startet, der mit seinem Land den Namen teilt. Die Visite auf den Seychellen, Mauritius und in Sri Lanka muss den Ausgleich zwischen mehreren Ebenen schaffen. Modi will Chinas Einfluss im Indischen Ozean Einhalt gebieten, ohne Peking allzu sehr zu verärgern. Vor allem die Visite auf Sri Lanka ist auch innenpolitisch heikel: der erste offizielle Arbeitsbesuch eines indischen Premiers seit 28 Jahren.

Die gewünschte Botschaft lautet: Jene Zeiten, in denen Indien seinem maritimen Hinterhof wenig Beachtung zollte, sind vorüber. Aus Sicht Delhis ist Eile geboten, denn die Liste chinesischer Engagements ist mittlerweile lang: Rund fünf Milliarden Euro gab es in den vergangenen Jahren aus Peking für Sri Lankas Infrastruktur; einen neuen Flughafen baut man für die Malediven, Überlegungen gibt es auch zu einem Hafenprojekt auf den Seychellen.

Chinesische Diplomaten beteuern, dass es bei der "Meeresseidenstraße" zwischen der Straße von Malakka im Osten und dem Persischen Golf und Afrikas Ostküste im Westen ausschließlich um wirtschaftliche Kooperation gehen solle. Doch das wird nicht nur in Delhi bezweifelt.

Gesten und Provokationen

Besonders nervös ist Indien, seitdem im Sommer 2014 drei chinesische U-Boote im Hafen von Sri Lankas Hauptstadt Colombo anlegten. Und erst vor wenigen Tagen hieß es bei Chinas Volkskongress wieder, dass die Armee selbstverständlich auch die "Entwicklungsinteressen des Landes schützen" müsse.

Chinas Präsident Xi Jinping war schon im September in Sri Lanka und auf den Malediven. Modi ist also spät dran. Dafür soll es nun konkrete Projekte geben: In Sri Lanka soll der Bau eines Wärmekraftwerks unter Dach und Fach gebracht werden - ein umstrittener Vertrag über zivile Nuklearzusammenarbeit wurde bereits jüngst unterschrieben.

In Mauritius möchte der Premier ein von Indien gebautes Patrouillenboot einweihen. Mindestens zwölf weitere Schiffe sollen bald folgen; mit ihnen stellt Delhi auch gleich indisches Personal zur Verfügung. Auf den Seychellen liegt ein Vertrag über die gemeinsame Erforschung des Meeresbodens bereit. Eine kartografische Leistung, die auch strategische Folgen haben kann - etwa wenn es darum geht, Seegrenzen genau festzulegen. Indiens Außenministerin Sushma Swaraj war zudem Ende Februar im Oman, um den Kampf gegen Piraterie zu erörtern.

Davon, dass die Ozeanreise des Premiers zum Anlass echter Konfrontation mit Peking wird, war vor der Reise aber nicht auszugehen. Bisher hat Modi politische Provokationen meist mit versöhnlichen Wirtschaftsgesten aufgewogen. Im Mai will er selbst China besuchen und über Delhis Beitrag zur Seidenstraße sprechen.

Vorzugsweise würde er das aus einer Position der Stärke heraus tun. Weil es diese aber vorerst noch nicht gibt, will Indien es auch vermeiden, die Ozeanstaaten vor die Wahl zu stellen, entweder mit Delhi oder mit Peking zu arbeiten. Denn es scheint eher unwahrscheinlich, dass eine solche Entscheidung im Moment zugunsten Delhis ausgehen würde.

Schlüsselstaat Sri Lanka

Unbedingt will Modi aber verhindern, dass das nur 50 Kilometer von der eigenen Küste entfernte Sri Lanka auch unter dem neuen Präsidenten Maithripala Sirisena Knotenpunkt einer chinesischen Seidenstraße wird. Gegen solche Pläne seines Vorgängers, Mahinda Rajapaksa, hatte sich Sirisena im Wahlkampf vom Jänner noch unmissverständlich ausgesprochen. Mittlerweile hat seine Regierung entdeckt, dass es auch Vorteile haben kann, die zwei Staaten gegeneinander auszuspielen. Wenige Tage vor Modis Besuch weilte Sri Lankas Außenminister Mangala Samaraweera in Peking.

Überhaupt ist die Insel ein schwieriges Pflaster für Delhi. Ende der 1980er-Jahre endete ein indischer Einsatz im Desaster, als indische Friedenstruppen mit den separatistischen Tamilischen Tigern (LTTE) aneinandergerieten und rund 1200 Inder bei Kämpfen starben. Zugleich hat Delhi aber Expräsident Rajapaksa für den brutalen Einsatz von dessen Truppen zum Ende des Bürgerkrieges 2009 kritisiert. Nun soll Modi gar die ehemalige LTTE-Hochburg Jaffna besuchen, um dort ein wiederaufgebautes Kulturzentrum zu eröffnen. Ein Signal, das auch im Süden Indiens Widerhall finden wird, wo die Tamilen eine wichtige Wählergruppe sind. (Manuel Escher, DER STANDARD, 11.3.2015)