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Sepideh Tavakkoli ist im Hochsprung die iranische Rekordhalterin. Als Multitalent der Leichtathletik frönt die 23-Jährige auch dem Siebenkampf und dem Kugelstoßen als Einzelsportart.

Foto: AP/Jin

Ringen war nicht nur im Iran eine reine Männerdomäne. Bis in die 1980er-Jahre gab es in Europa kaum Ringerinnen. Der Sport galt als gefährlich für junge Frauen, von seiner Ausübung wurde abgeraten, weibliche Ringbegeisterte blieben ausgeschlossen. Beim Ringen treffen einander schließlich knapp bekleidete Körper auf der Matte. Erst seit Athen 2004 ringen auch Frauen olympisch. Ringen ist gleichsam sexy geworden.

Umso überraschender kommt jetzt eine Kehrtwende im Iran. In der Islamischen Republik dürfen Frauen von jetzt an eine spezielle Art des Ringens ausüben, das Gurtringen. Die Kämpferinnen tragen ein langes schwarzes Sportkleid und ein Kopftuch, sie dürfen die Gegnerinnen aber nur am Gurt anfassen, und versuchen, sie mittels bestimmten Griffen zu Fall zu bringen. Eine Kombination zwischen Judo und Ringen also. Der Verband Iranischer Ringerinnen wird von einer Frau angeführt, von Badrolomolouk Kohrangi. Ihr und ihren Schützlingen ist somit bisher fast Undenkbares gestattet - der Eintritt in die berühmte Hafte-Tir-Ringerhalle in Teheran.

Im Iran ist das Ringen der populärste Sport, 37 der 60 iranischen Goldmedaillen bei Olympischen Spielen holten Ringer. Frauen durften nur unter Ausschluss männlichen Zuschauer ringen. Dies änderte sich nun mit dem Schritt des Verbandes. "Wir sind begeistert und können es kaum erwarten, den iranischen Verband in seinen Anstrengungen für die Besserung der Sportmöglichkeiten der Frauen zu unterstützen", sagte Nenad Lalovic, der Präsident des internationalen Verbandes.

Mit dem Schritt will der Iran seine Offenheit für Frauensport demonstrieren. Seit dem Fall der englisch-iranischen Doppelstaatsbürgerin Goncheh Ghavami steht der Iran massiv in der Kritik. Ghavami war im September inhaftiert worden, weil sie einem Volleyballspiel beiwohnen wollte. Nach internationalen Protesten kam sie auf freien Fuß. Den Skandal um ihre Person galt es, jetzt zu kompensieren. Japan könnte ein Beispiel gegeben haben, schließlich wurde der Nationalsport Sumo ebenfalls erst jüngst auch für Frauen geöffnet. Zwei Wochen später zog der Iran mit den Ringerinnen nach.

Kuriose Bilder

Die Welt des Sports mit ihrer prowestlichen und säkularen Einstellung macht dem Iran immer öfter zu schaffen. Wenn der Staat mit mehr als 75 Millionen Einwohnern eine erfolgreiche Sportnation sein will, muss er als Veranstalter die Regelungen internationaler Sportverbände respektieren, also weibliche Zuschauer zum Beispiel zu Basketball- und Volleyballspielen zulassen. Das Bild, das sich bisher in iranischen Stadien bei der Partien der Volleyball World League und Länderspielen im Basketball bietet, ist mehr als kurios - iranische Männer sitzen neben ausländischen Frauen, denen das Zutrittsrecht nicht verweigert wird.

Im Iran und in Saudi-Arabien gilt die Regel, dass Frauen während der Sportausübung ein Kopftuch tragen müssen. Während aber Saudi-Arabien der einzige Staat der Welt ist und wohl noch länger bleibt, in dem Frauen öffentlich nicht Sport betreiben dürfen, ist der Iran an den Gegensatz eigentlich gewöhnt. Bis zur Islamischen Revolution 1979 erlebte der Frauensport eine regelrechte Blüte. Die von 1934 bis 1979 regierende Pahlavi-Dynastie (Reza Schah und sein Sohn Mohammad) engagierte sich, ähnlich wie in der Türkei Mustafa Kemal Atatürk, für die Säkularisierung des Sports. Iranische Frauen nahmen an internationalen Großereignissen wie Weltmeisterschaften und Olympische Spiele teil, Sportlerinnen mussten kein Kopftuch tragen, es gab sogar Auftritte von Athletinnen in kurzen Hosen. Damals feierte der iranische Frauenteamsport auch seinen bis dahin größten Erfolg, Mannschaftsgold im Fechten bei den Asien-Spielen 1974 in Teheran.

Bei den Asien-Spielen 2014 holten Irans Frauen zwei Gold- sowie je sieben Silber und BronzemedaiIllen, also fast ein Viertel aller iranischen Medaillen in Incheon, Südkorea. Trotz mehrerer Millionen Sportlerinnen national, schafft es kaum eine Iranerin auf die internationale Ebene über Asien hinaus. Frauen, wie die 23-jährige Sepideh Tavakkoli, die iranische Rekordhalterin in Hochsprung, muss ihr Land auch im Siebenkampf und im Kugelstoßen vertreten. Das erklärt, warum von Atlanta 1996 bis London 2012 genau zwölf Frauen den Iran olympisch repräsentieren durften. Der Zutritt zum Ringen öffnet jetzt eine neue Türe. (Tamás Dénes, DER STANDARD, 11.3.2015)