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Onlinehändler passen Preise mitunter täglich bis zu 20-mal an.

Foto: apa/Uli Deck

Wien - Krank zu werden empfiehlt sich im März, am besten dienstags oder freitags. Da sind Medikamente online am günstigsten. Die häufigsten Rabatte für Schuhe gibt es donnerstags. Mittwochs fallen die meisten Preise für Elektronik. Bei Büchern ist der Wochentag einerlei - wer sparen will, sollte jedoch keinesfalls vor Beginn der kälteren Jahreszeiten zuschlagen. Möbel wiederum kauft man zumeist dienstags oder mittwochs billiger.

Gemäß einer aktuellen Studie der deutschen Shoppingplattform Spottster sollten sich Konsumenten für ihre Einkäufe im Internet an einen genauen Terminplan halten. Der junge Dienstleister hat 61 Millionen Produkte in 2200 Webshops in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf Preisschwankungen abgeklopft und dabei eine enorme Bandbreite ausgemacht.

Am höchsten sind die Preise an Wochenenden, am meisten variieren sie bei Elektronik, weiß Spottster-Sprecherin Mona Ricken. Die Gründe, warum etwa bei Mode die Preise gerade an Donnerstagen regelmäßig sinken, konnten ihre Kollegen nicht eruieren. "Einiges davon hat uns selbst überrascht."

Wer online shoppt, braucht zusehends starke Nerven. Preise für ein und dasselbe Produkt ändern sich mitunter stündlich. Amazon passt sie teils bis zu 20 Mal am Tag neu an. "Dynamic Pricing" nennt sich die Achterbahnfahrt, die Airlines vorlebten, die in Europa ankam und mittlerweile im gesamten Onlinegeschäft Schule macht. In bis zu drei Jahren hat sie auch den stationären Einzelhandel erreicht, ist Harald Gutschi, Chef der Unito Österreich rund um den Versandhauskonzern Otto, überzeugt. Was Kunden wie Betrieben diene. "Warum soll jeder zu jeder Zeit den gleichen Preis bezahlen?"

Günstig gegen den Strom

Das Verhalten der Kunden lenke den Preis ebenso wie die Faktoren Wetter, Lagerbestand, Größe oder Farben der Ware. Selbstlernende Maschinen regelten diesen nach mathematischen Modellen auf Basis von Millionen Kundendaten. "Wer antizyklisch kauft, profitiert", erläutert Gutschi. Wer sich am Mainstream orientiert, bezahle normal. "In Summe drückt es das Preisniveau nach unten."

Auch wenn sich viele stationären Händler aus Angst vor geringeren Margen davor noch scheuen - sie werden sich von rasant ändernden Preisen nicht abkoppeln können, sagt auch Kai Hudetz, Geschäftsführer des Kölner Instituts für Handelsforschung dem STANDARD. Vor allem Unternehmen, die offline wie online auf dem Markt sind, hätten keine andere Wahl.

Die zwei größten Hürden: Digitale Preisauszeichnung geht hart ins Geld. Diese Erfahrung machte etwa die Lebensmittelkette Spar, die das Projekt vor vielen Jahren nach einem Testlauf ad acta legte. Zum anderen: Akzeptieren Kunden, dass das Jausensemmerl über die Mittagszeit teurer ist als Stunden später, oder eine Kugel Eis bei Hitze das Dreifache kostet wie bei Regenwetter? Das seien natürlich Extrembeispiele, sagt Hudetz, der stationäre Handel müsse sich dennoch an diese Fragen herantasten. "Der Preis ist eine scharfe Waffe, die vorsichtig eingesetzt gehört." Die Gefahr, Vertrauen der Konsumenten zu zerstören, sei groß.

Handelspräsident Stephan Mayer-Heinisch sieht Kunden zu Zockern werden und die Bindung zu einzelnen Händlern sinken. Und je mehr der Handel über sie wisse, desto mundgerechtere Happen könne er ihnen bieten. Seiner Erfahrung nach läuft das zunehmend auf umstrittene Systeme in der Datenerfassung hinaus.

Was Kritiker auf den Plan ruft, sind vor allem stark individualisierte Preise, in die früheres Konsumverhalten und Rückschlüsse auf die Kaufkraft der Kunden mit einfließen. Gutschi relativiert: Natürlich sei technisch alles möglich, aber der sogenannte gläserne Kunde bringe keinem etwas. Das Ganze erinnere ihn an Spekulationen über das papierlose Büro.

Ob online oder stationär in den Filialen: Für den Einzelnen werde es künftig immer schwieriger, die Preisgestaltung zu durchschauen, sagt Gabriele Zgubic, Expertin für Konsumentenschutz der Arbeiterkammer. "Transparenz leidet."

Dass via Smartphone erworbene Produkte teurer sein sollen, als über günstige Handys georderte, hat Hudetz selbst noch nicht erlebt. Er hält dies auch für nicht vertrauensfördernd. Lieber sollte der Onlinehandel Kunden individuelle Rabatte über Gutscheine gewähren und gewisses Verhalten honorieren, sagt er. Für stationäre Händler biete sich Zusatzleistung abseits des reinen Preises an, meint Mayer-Heinisch. Nachsatz mit Schmunzeln: "Etwa eine Rose und ein Bussi vom Verkaufsleiter." (Verena Kainrath, DER STANDARD, 11.3.2015)