Habemus Steuerreform.

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Die Pläne zur Steuerreform.

Wien - Um 0.29 Uhr am Freitag dem 13. war es so weit: Bundeskanzler Werner Faymann verkündete nach einer dreistündigen finalen Verhandlungsrunde mit der ÖVP die Einigung auf die Steuerreform. Der SPÖ-Chef sprach von der "größten Steuerreform der Zweiten Republik". Vizekanzler Reinhold Mitterlehner meinte, man habe "eine solide Gegenfinanzierung" aufgestellt.

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Viel mehr war dann aber offiziell nicht zu erfahren. Inhaltliche Details wurden bei einem kurzfristig anberaumten Pressestatement im Kanzleramt nämlich nicht kommuniziert. Zuerst informiere man die Parteigremien, so Faymann und Mitterlehner. Die SPÖ hat für 12 Uhr eine Präsidiums- und für 13 Uhr eine Vorstandssitzung angesetzt. Der ÖVP-Vorstand tagt seit 12 Uhr. Um 18 Uhr wollen Kanzler und Vizekanzler in einer Pressekonferenz Details zur Steuerreform präsentieren.

Informell waren zuvor allerdings bereits die wesentlichen Eckpunkt durchgesickert. Das Volumen der Steuerreform beträgt fünf Milliarden Euro, sie tritt in einer Etappe am 1. Jänner 2016 in Kraft. 4,9 Milliarden fließen in eine Tarifreform, 100 Millionen in die Anhebung des Arbeitnehmer- und Verkehrsabsetzbetrags (400 statt 350 Euro).

DER STANDARD gibt einen Überblick:

  • Der Eingangssteuersatz (er setzt weiterhin bei einer Jahresbemessungsgrundlage von 11.000 Euro an) sinkt von derzeit 36,5 auf 25 Prozent (siehe Grafik). Wer zu wenig verdient, um Lohnsteuer zu zahlen, bekommt künftig eine höhere Steuergutschrift (400 statt 110 Euro, Pensionisten erhalten erstmals 110 Euro). Damit Kleinverdiener tatsächlich in den Genuss dieser Negativsteuer kommen, wird eine automatisierte Arbeitnehmerveranlagung eingeführt.
  • Bei einem Bruttogehalt von 2.100 Euro (Durchschnittsgehalt in Österreich) soll die jährliche Entlastung somit bei rund 900 Euro liegen. Bei 3.000 Euro steigt sie auf in etwa 1.300 Euro. Insgesamt sollen 90 Prozent des Steuerreformvolumens in die Entlastung von Einkommen bis 4.500 Euro fließen.

Die Gegenfinanzierung erfolgt nur zu einem kleineren Teil aus vermögensbezogenen Steuern (400 bis 500 Millionen). Von den ursprünglichen zwei Milliarden, die die SPÖ über Vermögens- und Erbschaftssteuern holen wollte, ist man somit weit entfernt.

Konkret sieht die Gegenfinanzierung folgendermaßen aus:

  • Betrugspaket: Satte 1,8 bis 1,9 Milliarden Euro an Mehreinnahmen erwarten sich SPÖ und ÖVP durch den forcierten Kampf gegen Steuerbetrug. Diese Zahl wurde in den vergangenen Tagen stetig nach oben gerechnet. Rund eine Milliarde soll dabei die Einführung einer Registrierkassenpflicht für Unternehmen bringen. Gleichzeitig werden die Betriebe verpflichtet, immer eine Rechnung auszustellen.

    Auf Drängen der Wirtschaftskammer wird es aber Ausnahmen von der Registrierkassenpflicht geben - etwa für Kleinunternehmer auf öffentlichen Plätzen (Maronibrater, Würstelstand), kleine Vereinsfeste und mobile Umsätze (zum Beispiel Masseure).

    100 bis 200 Millionen Euro erhofft man sich durch die Reduktion von grenzüberschreitendem Mehrwertsteuerbetrug (und auch bei der Mineralölsteuer). Bis zuletzt heftig diskutiert wurde von den Verhandlern, wie man ungerechtfertigten Bezug von Arbeitslosengeld reduzieren könnte. Hier will man sich dem Vernehmen nach 100 Millionen Euro holen, weitere 100 Millionen durch Maßnahmen gegen Scheinfirmen.

  • Höhere Steuern: Rund 400 bis 500 Millionen Euro sind unter dem Titel "vermögensbezogene Steuern" eingeplant. Die Kapitalertragsteuer auf Dividenden und Aktiengewinne steigt von 25 auf 27,5 Prozent. Da der Spitzensteuersatz laut einer Verfassungsbestimmung immer doppelt so hoch ist wie die KESt, steigt dieser von 50 auf 55 Prozent. Unklar ist noch, wie man es vermeiden will, dass auch die KESt auf Sparbücher steigt. Der neue Höchststeuersatz gilt für Einkommen über einer Million Euro. Die SPÖ kann diese Maßnahme also als ihre symbolische "Millionärssteuer" verbuchen. Betroffen sind freilich nur 300 bis 400 Personen. Im internationalen Vergleich haben nun nur mehr Schweden (56,7 Prozent), Portugal (56,5 Prozent) und Dänemark (55,6 Prozent) höhere Spitzensteuersätze.

    Die Immobilienertragsteuer (derzeit maximal 25 Prozent) steigt für Zweit- und Drittwohnsitze auf 30 Prozent. Änderungen gibt es auch bei der Grunderwerbssteuer. Künftig wird sie vom tatsächlichen Wert (Verkehrswert) berechnet, nicht mehr auf Basis der niedrigeren Einheitswerte. Bei Erbschaften und Schenkungen (unentgeltliche Übertragungen) steigt der Steuersatz von zwei auf 3,5 Prozent, sofern das Grundstück mehr als 300.000 Euro wert ist. Zwischen 150.000 Euro und 300.000 Euro bleibt der Satz bei zwei Prozent. Bei Grundstücken, die weniger als 150.000 Euro wert sind, sinkt der Satz sogar (von zwei auf 0,5 Prozent). In SPÖ-Kreisen wird die höhere Grunderwerbssteuer als "Erbschaftssteuer light" verkauft.

  • Verwaltung: Eine Milliarde Euro sollen im Bereich Verwaltung und Förderungen eingespart werden. Hier sind die Details noch unklar.

  • Steuerausnahmen: Das Streichen von Ausnahmen im Steuerrecht soll insgesamt 900 Millionen Euro bringen. Seit längerem fix: Dienstautos, die privat genutzt werden, werden höher besteuert (bringt 50 Millionen). Was bisher weniger bekannt war: Die Möglichkeit, betriebliche Gebäude abzusetzen, wird eingeschränkt. Das bringt einige Hundert Millionen.

    Nur eine kleinere Rolle dürfte die Streichung von ermäßigten Mehrwertsteuersätzen spielen. Für einige Produkte wie Schnittblumen und Tierfutter soll sie von zehn auf 13 Prozent steigen (Bücher sollen jedenfalls nicht betroffen sein).

  • Konjunktur: 850 Millionen verbucht man unter "Selbstfinanzierung". Was damit gemeint ist: Durch die Entlastung sollen Konsum und Konjunktur angekurbelt werden, wodurch es in weiterer Folge wieder zu steigenden Steuereinnahmen für den Staat kommt.

Wirtschaftspaket kommt

Zusätzlich zur Steuerreform haben die Koalitionsparteien ein Wirtschaftspaket im Ausmaß von 200 Millionen Euro vereinbart. Darin vorgesehen ist etwa die Ausweitung der steuerlichen Begünstigung der Mitarbeiterbeteiligung auf 3.000 Euro pro Jahr, war am Freitag aus Regierungskreisen zu erfahren.

Das Paket zur Wirtschaftsbelebung sei bereits länger paktiert gewesen, aber noch nicht kommuniziert worden, hieß es gegenüber der APA. Es ist zusätzlich zur Steuerreform vorgesehen und soll den Wirtschaftsstandort attraktiver machen. Die Mittel dafür stammen aus dem Finanzministerium.

Enthalten ist in der Summe ein Finanzierungspaket für kleine und mittlere Unternehmen, die Forschungsprämie wird von derzeit zehn auf zwölf Prozent erhöht, und die steuerliche Begünstigung für die Mitarbeiterbeteiligung wird von 1.460 auf 3.000 Euro jährlich ausgeweitet. Die ÖVP hat sich in der Vergangenheit wiederholt für mehr Mitarbeiterbeteiligung am Unternehmensgewinn ausgesprochen. Die heimische Wirtschaft dürfte damit etwas besänftigt werden. (Günther Oswald, APA, derStandard.at, 12.3.2015)