Der Raspberry Pi ist so etwas wie die Antithese zu allen aktuellen Computertrends: Wo Laptops, Smartphones und Co. von Jahr zu Jahr abgeschlossener werden, lädt der von einer gemeinnützigen Stiftung entwickelte Mini-Computer offensiv zum Erforschen von Hard- und Software ein. Jene Kultur des Bastelns, die die Heimcomputerära der Achtziger Jahre geprägt hat, wolle man wieder zurück bringen, heißt es zur Motivationslage.

Erfolgsgeschichte

Ein ambitioniertes Unterfangen, das sich in den letzten Jahren als voller Erfolg herausgestellt hat. Mehr als 5 Millionen Raspberry Pi wurden bis dato verkauft. Seit einigen Wochen gibt es nun einen Nachfolger für den 35-Euro-Rechner, der alle Tugenden des Originals beibehält, sie aber mit deutlich stärkerer Hardware garniert.

Der Raspberry Pi 2: Kleine Platine mit großen Ambitionen.
Foto: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Der Raspberry Pi 2 kann also nun mit einem Vierkernprozessor (Broadcom BCM2836) aufwarten, wo das Original noch mit einem Kern auskommen musste. Auch die Taktfrequenz ist mit 900 MHz gegenüber den 700 MHz des Vorgängers etwa höher. Der Wechsel von ARMv6 auf ARMv7 als Prozessorarchitektur trägt gemeinsam mit der Verdopplung des Hauptspeichers auf 1 GB RAM sein übriges bei.

Wesentlich flotter

Das Ergebnis kann sich jedenfalls sehen lassen: Im Test erweist sich der Pi 2 um ein mehrfaches schneller als die erste Hardwaregeneration. Sei es beim Websurfen, beim Bearbeiten von Bildern oder auch beim Programmieren: Überall ist der Geschwindigkeitsschub deutlich spürbar. Bei der Video-Wiedergabe aber auch -Erstellung hilft, dass der Prozessor Hardwareunterstützung für diverse Codecs besitzt, so dass der Rechner auch bei 1080p-Material nicht zu stocken beginnt.

Verbindlich

Für die Anschlüsse nach außen gibt es vier USB 2.0-Ports, wobei diese nun Geräte mit höherem Strombedarf (bis zu 1,2A) versorgen können. Im Gegenzug wird ein stärkeres Ladegerät empfohlen, 2 Ampere sollte es schon liefern. Der Monitor wird per HDMI verbunden, alternativ gibt es einen kombinierten 3,5mm-Audio/Video-Anschluss. Netzwerk gibt es ausschließlich über einen Ethernet-Port (10/100 Mbit/s), WLAN wird von Haus aus nicht unterstützt, kann aber über den USB-Anschluss nachgerüstet werden. Und als zentrale Schnittstelle für Hardwarebasteleien aller Art verbleibt der gewohnte 40-Pin GPIO-Anschluss.

Nackt

Ein zentrales Konzept ist ebenfalls gleich geblieben: Im Kern ist der Raspberry Pi "nur" eine Platine, selbst ein Gehäuse muss gesondert erworben werden - so man denn Wert auf solche Dinge legt. Das Platinenlayout entspricht dabei dem Model B+ des ersten Raspberry Pi, wer dieses bereits sein eigen nennt, kann das Gehäuse also weiterverwenden, ansonsten steht eine Neuanschaffung an.

Bestehende Gehäuse können nur vom B-Modell der ersten Hardwaregeneration übernommen werden.
Foto: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Die Software wird dem Raspberry Pi über eine MicroSD-Karte untergejubelt. Das Projekt selbst stellt dabei einige Optionen zur Wahl, die alle eines gemeinsam haben: Sie basieren auf dem freien Betriebssystem Linux. Der einfachste Weg ist sich gleich eine entsprechende Karte vom Hersteller zu kaufen. Darauf befindet sich die "Noobs"-Software, mit der dann diverse Betriebssystemvarianten installiert werden können.

Individuell

Wer lieber zur eigenen SD-Karte greift, findet online diverse Anleitungen, wie diese mit den entsprechenden Systemabbildern bespielt werden kann. All das ist relativ einfach erklärt, aber zumindest ein gewisses Grundinteresse sollte vorhanden sein. Das gilt freilich prinzpiell für den Raspberry Pi.

Raspbian

Wem nach einem klassischen Desktop gelüstet, dem bietet das Raspberry-Pi-Projekt mit Raspbian eine eigene Linux-Distribution . Diese basiert auf Debian Wheezy und nutzt den schlanken LXDE-Desktop. Mitgeliefert wird eine spezielle Version von Wolfram Mathematica für den Mini-Computer, das Programmier/Lerntool Scratch aber auch eine Variante des Spiels Minecraft.

Medienzentrale

Eine der beliebtesten Nutzungsarten des Raspberry Pi ist jene als platzsparende Medienzentrale. Und genau dieses Szenario profitiert deutlich von der stärkeren Hardware. Bei der Nutzung von OpenElec kam der Pi 2 im Test nie auch nur ansatzweise ins Schwitzen, weder bei 1080p-Inhalten noch wenn gleichzeitig ein zweiter Film an einen anderen Rechner gestreamt wurde.

Im Betrieb nähren sich zahlreiche Kabel am Raspberry Pi 2 - Tastatur, Maus, Ethernet, HDMI und natürlich die Stromversorgung per MicroUSB.
Foto: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Noch deutlicher zeigt sich der Hardwarefortschritt bei RetroPie: Dieses ist auf die Emulation alter Computer und Konsolen spezialisiert - vom C64 bis zum Amiga, vom Game Boy bis zum Sega Mega Drive ist die Auswahl äußerst umfangreich. Mit der neuen Generation des Raspberry Pi lassen sich dabei nun selbst Spiele für die Sony Playstation durchgängig ruckelfrei wiedererleben. Der Vorgänger hatte hier noch so seine Mühe.

Microsoft

Die Popularität des Raspberry Pi hat übrigens mittlerweile auch das Interesse eines Unternehmens auf sich gezogen, das in früheren Jahren nicht gerade für seine Offenheit bekannt war: Microsoft will parallel zum Start von Windows 10 im Herbst eine eigene Version des Betriebssystems für den Raspberry Pi 2 veröffentlichen. Dabei soll es sich zwar "nur" um eine abgespeckte Version für die Entwicklung im Bereich des "Internets der Dinge" handeln, aber immerhin.

Fazit

In Zeiten, wo es bei vielen Laptops nicht einmal mehr möglich ist, die Festplatte auszutauschen, ist es geradezu erfrischend, mit einem dermaßen offenen und bastelfreundlichen System wie dem Raspberry Pi zu hantieren. Die zweite Hardwaregeneration erweist sich dabei als signifikantes Update, das die Meriten des ersten Modells mit einer gehörigen Portion zusätzliche Power kombiniert. Eigentlich gilt es nur mehr das richtige Projekt zu finden und loszubasteln. Das sollte wiederum nicht all zu schwer sein: Inspiration dafür gibt es im Internet mittlerweile zuhauf. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 14.3.2015)