"Wiederholungstäter": "Krone"-Postler Michael Jeannée wurde schon mehrfach vom Presserat gerügt.

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Irmgard Griss, ehemalige OGH-Präsidentin, leitet künftig den 3. Senat des Presserats.

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Wien - Nimmt man die Zahlen des Presserats als Maßstab, dann war 2014 kein gutes Jahr für Österreichs Presse. 35 Verstöße gegen den Ehrenkodex der österreichischen Presse identifizierte das Selbstkontrollorgan. Der überwiegende Teil, nämlich 32, ging auf das Konto von "Kronen Zeitung" (16), "Österreich" (11) und "Heute" (5) – jenen drei Boulevardmedien, die sich nicht der Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats unterworfen haben. Zum Vergleich: Im Jahr 2013 kam es zu 16 Verstößen.

Die rechtsnationale Zeitschrift "Zur Zeit" brachte es mit rassistischen Diskriminierungen auf zwei Abmahnungen. Der "Falter" (Artikel über Monika Lindner), "Vice" (kompromittierende Fotos vom Donauinselfest) sowie die "Floridsdorfer Bezirkszeitung", das "Journal Graz" und "Meine Südsteirische" haben je einmal gegen den Ehrenkodex verstoßen.

Persönlichkeitsrechte, Diskriminierungen

Auf der einen Seite seien die Zahlen ein gutes Zeichen, weil der Presserat in seinem fünften Jahr zunehmend anerkannt werde, resümierte Astrid Zimmermann, Präsidentin des Presserats, am Donnerstag bei der Jahrespressekonferenz. Auf der anderen Seite sei die Zunahme an Verurteilungen kein Ruhmesblatt für Österreichs Presselandschaft. Mit Füßen getreten würden nach wie vor Persönlichkeitsrechte, kritisierte Zimmermann, Medien schlüpften in die Rolle der Gerichte: "Es gibt viele Vorverurteilungen." Neben der Verletzung von Persönlichkeitsrechten betrafen die meisten Verfahren Diskriminierungen.

Aufgrund der Zunahme – insgesamt hatte der Presserat im vergangenen Jahr 238 Fälle zu behandeln, 2013 waren es erst 155 Fälle – wird nun ein 3. Senat installiert. Dessen Vorsitz übernimmt die ehemalige OGH-Präsidentin Irmgard Griss, unter deren Federführung die Hypo-Untersuchungskommission der Regierung stand.

35 Verstöße, betroffen sind in manchen Causen mehrere Medien

Einen "Dammbruch" bei Suizidberichten ortete Alexander Warzilek, Geschäftsführer des Presserats. Es gebe keine Zurückhaltung mehr, was insofern gefährlich sei, als bei detaillierter Berichterstattung die Gefahr der Nachahmung bestehe – der Werther-Effekt. Als drastisches Beispiel erwähnte er einen Artikel, der in der "Kronen Zeitung" publiziert wurde. Ein Foto dokumentierte den Sprung in den Suizid, auf einem anderen war der Tote nach dem Aufprall zu sehen. Ein schwerer Verstoß gegen Persönlichkeitsrechte, urteilte der Presserat, der in dieser Causa selbst tätig wurde. An das Gremium hatte sich aber auch die Familie des Betroffenen gewandt.

Für zwei Verstöße zeichnete "Krone"-Postler Michael Jeannée verantwortlich. Einmal bezeichnete er Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) als "Polit-Furunkel", ein anderes Mal beschimpfte er mutmaßliche jugendliche Räuber als "elendes, niederträchtiges Pack" und "Dreckskerle".

Hetze in "Heute"

Ein weiteres Beispiel für einen schwerwiegenden Verstoß und einen Eingriff in die Menschenwürde sieht der Presserat bei dem "Heute"-Artikel "'Heute'-Leser jagen 'Bubi'-Quäler". In dem Artikel samt Slideshow mit Postings auf der "Heute"-Facebook-Seite wird über die brutale Misshandlung eines Hundes in der Wiener U-Bahn berichtet sowie darüber, dass sich unter den Usern "Wut über die unfassbare Tat breitmacht". In manchen der in der Slideshow angeführten Postings werden Meinungen vertreten wie jene, dass der Täter "von oben bis unten aufgeschlitzt und auf die Gleise geworfen" gehöre, dass man ihm "dasselbe antun [...] und [ihn] danach gleich eingraben" oder dass man ihn "aufhängen" solle.

Ein schwerer Fall von Verletzung der Persönlichkeitsrechte war laut Presserat die Veröffentlichung eines Videos, in dem eine angetrunkene FPÖ-Lokalpolitikern auf dem Heimweg zu sehen war. Veröffentlicht wurde es von "Österreich" und "Heute".

Im Herbst feiert der Presserat sein fünfjähriges Bestehen. Gefeilt wird heuer am Regulativ. So sollen auch eigenständige Onlinemedien einbezogen werden und nicht nur Portale von Printmedien. Weiter auf der Agenda: der Umgang mit verletzenden Postings. (omark, Grafik: fin, derStandard.at, 12.3.2015)