Wien - Eine "Bombe" gebe es noch, von der kein Medium etwas mitbekommen habe, frohlockte ein Verhandler in der Nacht auf Freitag. Zuvor hatten die Steuerteams rund um Kanzler Werner Faymann und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner in einer gut dreistündigen Runde die letzten Details der Steuerreform geklärt.

Freitagmittag schlug dann die Bombe ein. Das Bankgeheimnis, eine heilige Kuh in Österreich, soll für Betriebe deutlich gelockert werden, gaben die beiden Regierungsparteien bekannt. Durch diese Maßnahme will man Steuerbetrügern leichter auf die Schliche kommen - 700 Millionen Euro sollen jährlich eingenommen werden.

Konkret ist die Einführung eines zentralen Bankkontenregisters geplant. Im Zuge von Abgabenprüfungen wird die Finanz auf dieses Register zugreifen können. Bisher müssen Banken nur auf richterliche Anordnung Kontoinformationen preisgeben. OECD und auch die Korruptionsstaatsanwaltschaft drängen seit Jahren auf Verschärfungen in diesem Bereich.

Banken alarmiert

Über die genaue Ausgestaltung herrschte zunächst Unklarheit. Laut SPÖ sollen nur Unternehmen unter die Lupe genommen werden. Für Privatpersonen gelte das Bankgeheimnis weiterhin. Später bestätigte auch das Finanzministerium diese Interpretation.

Die Banken sind jedenfalls bereits alarmiert: Der langjährige ÖVP-Abgeordnete und Chef des Sparkassenverbands, Michael Ikrath, sieht einen "eklatanten Wortbruch der Regierung". Stets habe man versprochen, am Bankgeheimnis für Inländer ändere sich nichts. "Deswegen bin ich fassungslos über diese Ankündigung." Ikrath im Gespräch mit dem STANDARD: "Wollen wir wirklich die monetären Schlafzimmer unserer Bürger für die behördlichen Voyeure öffnen, sodass diese beliebig ein und aus gehen können?" Der Banker erwartet nun Widerstand im ÖVP-Klub.

Nachverhandeln

Den könnte es auch noch bei einem anderen Thema geben: Der Wirtschaftsbund mobilisiert weiter gegen die geplante Registrierkassenpflicht, Christoph Leitl hat bereits parlamentarische Nachverhandlungen angekündigt. Beide Maßnahmen braucht die Koalition aber, um die Steuerreform im Ausmaß von fünf Milliarden Euro finanzieren zu können.

Am Tag der Präsentation hielten sich die Kritiker daher auch weitgehend zurück. Von beiden Parteigremien wurden die Steuerpläne abgesegnet. Wie berichtet, sinkt der Eingangssteuersatz von 36,5 auf 25 Prozent.

Die Ersparnis für den Einzelnen zeigt dieser Rechner:

Kleinstverdiener werden über eine erhöhte Steuergutschrift (Negativsteuer) entlastet. Einige Details wurden in der letzten Verhandlungsrunde noch abgeändert. Der erhöhte Steuersatz von 3,5 Prozent bei der Grunderwerbssteuer soll nun erst bei Immobilien und Grundstücken, die mehr als 400.000 Euro wert sind, greifen. Die ÖVP möchte aber auch diesen Passus noch nachverhandeln.

Der Anteil an vermögensbezogenen Steuern ist noch einmal etwas geschrumpft. Statt der ursprünglich von der SPÖ anvisierten zwei Milliarden Euro sind es letztlich nur 350 Millionen geworden. Wobei bei der Kapitalertragsteuer (KESt) noch Hürden auf die Koalition warten. Sie soll nur bei Dividenden und Spekulationsgewinnen von 25 auf 27,5 Prozent steigen. Hebt man den Satz aber bei den Dividenden an, steigt die KESt auch automatisch bei den Sparbüchern. Das will die Regierung aber unbedingt vermeiden.

Feilschen im Parlament

Daher braucht man die Zustimmung von Grünen oder FPÖ im Parlament. Beide Parteien haben bisher aber eher abgewunken. Was die Grünen möglicherweise überzeugen könnte: Auch für die Änderung des Bankgeheimnisses braucht die Regierung eine Verfassungsmehrheit im Nationalrat.

Der Spitzensteuersatz für Einkommen über einer Million steigt ab 2016 von 50 auf 55 Prozent. Diese Maßnahme soll allerdings auf fünf Jahre befristet sein. Die Vergangenheit hat freilich gezeigt, dass derartige Versprechungen nicht zwingend halten müssen. Auch die vor zwei Jahren eingeführte "Solidarabgabe" für Spitzenverdiener (ab 186.000 Euro) wurde zunächst befristet eingeführt, mittlerweile handelt es sich um eine Dauerregelung.

Einige steuerliche Ausnahmen werden eingeschränkt. So können Ausgaben für private Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherungen, aber auch Ausgaben für Wohnraumschaffung und -sanierung künftig nicht mehr als Sonderausgaben in der Steuererklärung berücksichtigt werden. Diese Einschränkung gilt aber nur für Neuverträge, an bestehenden Kontrakten ändert sich nichts.

Bis zuletzt schwammig blieb, wie die Regierung im Bereich Verwaltung und Förderungen eine gute Milliarde einsparen will. Vereinbart wurde nur: Zwei Drittel steuert der Bund bei, ein Drittel Länder und Gemeinden. (Günther Oswald, DER STANDARD, 13.3.2015)