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Hannes Androsch: "Scheinideologische, alchemistische Steuerideen."

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Martin Bartenstein: "Allein Populismus und Neid geschuldet."

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Hans Peter Haselsteiner: "Wer das nicht will, soll eben auswandern."

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Christian Köck: "SPÖ hat bei Steuern auf Vermögen völlig w. o. gegeben."

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Richard Lugner: "Wenn der Staat neben den Schuhen geht, soll's sein."

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Die SPÖ wollte sie mit einer eigenen Steuer schröpfen, die ÖVP um jeden Preis vom Auswandern abhalten: die Reichen. Herausgekommen ist bei der Steuerreform nun ein typisch rot-schwarzer Kompromiss. Ab 2016 müssen Vermögende bei einem Jahreseinkommen von mehr als einer Million 55 Prozent abliefern, dazu trifft die sogenannten "G'stopften" freilich auch die Erhöhung der Kapitalertragssteuer auf Dividenden auf 27,5 Prozent.

DER STANDARD hat sich unter einigen Millionären umgehört, wie sehr sie das schmerzt - oder ob es ruhig noch ein bisschen mehr sein hätte dürfen. Trotz ihrer Kritik an der Regierung - wenn auch aus unterschiedlichen Motiven - gleich vorab: Keiner der Großunternehmer denkt vorerst daran, jetzt Österreich zu verlassen.

Alchemistische Ideen

Angesichts "der größten Steuerreform in der Geschichte der Zweiten Republik" (Copyright Kanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann) bricht Hannes Androsch, einst Finanzminister (SPÖ), heute Aufsichtsratschef der Fimbag, der Banken-ÖIAG, nicht in Begeisterung aus, denn für ihn strotzt das Konzept nur so vor "scheinideologischen, alchemistischen Ideen". Zwar brächten die neuen Steuersätze "niemanden um", erklärt der Industrielle für sich und seinesgleichen, aber: Der höhere Spitzensatz helfe "nur Faymann im Parteivorstand, jedoch nicht dem Finanzminister bei der Budgetkonsolidierung".

Denn das spüle bloß 50 Millionen in die Staatskasse, während nicht angegangene Reformen wie bei der Hacklerregelung weiterhin Milliarden verschlängen, die an den Unis und in der Forschung fehlen. Deswegen prophezeit Androsch, dass "wir" angesichts dieser anhaltenden unnötigen Ausgaben "irgendwann an die Wand knallen - dafür brauche ich nicht einmal einen Bierdeckel, um diese Berechnung anzustellen". An die anvisierten Mehreinnahmen von knapp zwei Milliarden durch einen härteren Kampf gegen Steuerbetrug glaubt der Ex-Finanzminister übrigens nicht: "Hier gilt allein das Prinzip Hoffnung."

Im Höchststeuerland

Grantig ist auch der vormalige Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP), durch das familieneigene Pharmaunternehmen steinreich geworden. "Das ist kein Signal für den Standort Österreich", schimpft er über den bald um fünf Prozent angehobenen Spitzensteuersatz, "damit werden wir von einem Hochsteuerland zum Höchststeuerland."

Tatsächlich arbeitet sich die Republik damit nun an die Europaspitze vor. Nur Schweden, Portugal, Dänemark lagen 2014 über einem Wert von 55 Prozent - "und das, obwohl es fiskalisch nichts bringt", wie auch Bartenstein meint, weil es hierzulande bloß an die 400 Einkommensmillionäre gebe, aber dadurch künftig potenzielle Investoren abgeschreckt werden. Die Maßnahme sei daher "allein dem Populismus und dem Neid geschuldet", den die Kanzlerpartei SPÖ als herzeigbaren Erfolg gebraucht habe, die aber "den Leistungsträgern" schade. Aber auch mit der ÖVP rechnet Bartenstein ab: "An meine eigene Partei appelliere ich, sich doch an die Wahlversprechen zu halten und nicht davon abhalten zu lassen."

Unzumutbar hohe Einkommen

Ganz anders dagegen Hans Peter Haselsteiner, früher Strabag-Chef, jetzt Westbahn-Betreiber und Gönner der Neos. Der prononcierte Verfechter einer Millionärsabgabe hält die neuen Belastungen für die Betuchten für "zumutbar, weil sicher keiner arg darunter leidet" - und ihm geht die Steuerreform daher sogar zu wenig weit. Weil: "Unvernünftig hohe Einkommen rechtfertigen auch unvernünftig hohe Einschnitte" - nicht zuletzt, um "in wirtschaftlich schweren Zeiten" den sozialen Zusammenhalt zu gewährleisten. Allerdings hat das Werk der Regierung für ihn nicht den Namen Reform verdient, weil sie damit nicht das Steuerdickicht beseitigt und auch keine Strukturbereinigungen schafft.

Dass Rot-Schwarz endlich eine Registrierkassenpflicht gegen Steuerbetrug einführt, die nahezu alle Betriebe trifft, findet Haselsteiner nur recht und billig: "Das gibt es mittlerweile in halb Europa, das ist das Mindeste - und wer das nicht will, soll eben auswandern!" Ebenso all jene Unternehmer, die laut ÖVP angeblich überlegen, in Flat-Tax-Staaten abzuwandern. "Solche Drohungen sind beschämend!"

Und tschüss!

Ähnlich sieht das Gesundheitsökonom Christian Köck, früher auch beim LIF engagiert und dank der Familienstiftung der gleichnamigen Elektrohandelsdynastie vermögend: "Wer nach Russland will, dem wünsch ich viel Spaß dort." Die SPÖ habe für ihn bei den vermögensbezogenen Steuern ohnehin "völlig w. o. gegeben" - für ihn "unverständlich", weil bei den Begüterten sehr wohl mehr über die Grundsteuer und eine Erbschaftssteuer zu holen gewesen wäre. Dazu wird für Köck Arbeit nach wie vor zu hoch besteuert, aber dafür arbeite der Staat "ineffizient weiter", weil die vielen Doppelgleisigkeiten weiterhin bestünden.

Bereit, Haare zu lassen

Bauunternehmer Richard Lugner wiederum bekennt freimütig: "Die neue KESt tut sicher weh, aber wenn der Staat schon neben den Schuhen geht, soll's sein." In Notzeiten, findet er, sei es durchaus angebracht, ab einer Million 55 Prozent an den Fiskus abzugeben - jedoch nur so lange, bis es wieder aufwärtsgehe.

Damit spielt Lugner auf die geplante fünfjährige Befristung für den erhöhten Spitzensatz an. Allerdings war etwa die 2013 eingeführte "Solidarabgabe" für Schwerverdiener ursprünglich auch als zeitlich begrenzt gedacht, im Vorjahr wurde die Befristung jedoch aufgehoben.

Bei solchen Aussichten reagiert "Mörtel" dann schon schwer verstimmt. In seiner Lugner City gebe es bereits "etliche Firmen", die ihren Sitz lieber in Bratislava hätten, erzählt er. "Ich bin Österreicher, und wenn's dem Land schlechtgeht, auch bereit, Haare zu lassen. Aber wenn man nur mehr abgezockt wird, überlegt man schon, woanders hinzugehen." Damit wäre freilich nicht nur der Standort Österreich, sondern auch der Opernball arg gefährdet. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 16.3.2015)