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Musik wird über Kopfhörer oft viel zu laut gehört.

Foto: EPA/BRITTA PEDERSEN

Aktuell leiden rund 360 Millionen Menschen weltweit an einem Hörschaden, darunter 43 Millionen 12- bis 35-Jährige. Es wird davon ausgegangen, dass die Hälfte davon vermeidbar gewesen wäre. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt deshalb in einer aktuellen Aussendung, den täglichen Musikkonsum über Kopfhörer auf maximal eine Stunde täglich zu beschränken.

Die Anfälligkeit für Hörschäden wird zwar von verschiedenen Faktoren beeinflusst, etwa genetische Disposition, chronische Erkrankungen wie Diabetes sowie Stress und Rauchen. Mit dem Befolgen einfacher Maßnahmen könne man das Risiko in jedem Fall minimieren, so die WHO.

Mehr junge Betroffene

Fast 50 Prozent aller 12- bis 35-Jährigen in den reichen Industrieländern sind gefährlichen Lautstärken von mobilen Geräten ausgesetzt, rund 40 Prozent bei Konzerten und anderen Entertainment-Ereignissen. Ausschlaggebend sind neben der Lautstärke selbst vor allem die Dauer und die Häufigkeit der Exposition.

Als gefährlich gelten laut WHO acht Stunden bei 85 Dezibel – etwa Straßenlärm im Stadtgebiet - oder 15 Minuten bei 100 Dezibel – das entspricht einem fahrenden U-Bahn-Zug. Auch bei den Spielen der Fußball-WM 2010 wurden in den Tribünen durchschnittlich 100 Dezibel gemessen.

In Nachtclubs und Diskos beträgt die Lautstärke im Schnitt zwischen 104 und 112 Dezibel, so die WHO. MP3-Player und andere Abspielgeräten können sogar bis zu 136 Dezibel erreichen, abhängig von Gerät und verwendeten Kopfhörern. Die gesetzlichen Regelungen dazu variieren von Land zu Land und haben bisher zu keiner wesentlichen Verbesserung beigetragen - auch deshalb, weil sie meist einfach mittels Menüeinstellung ausgeschaltet oder umgangen werden können.

Gefährlicher Umgebungslärm

Wie ein weiterer Bericht der WHO zeigt, geht in Summe eine Million Lebensjahre pro Jahr aufgrund von Umgebungslärm verloren, vor allem aufgrund des Straßenverkehrs. Schlafstörungen und Ärger/Stress sind dabei die größten Probleme. "Unsere Welt wird immer lauter. Lärmschäden aufgrund chronischer Exposition nehmen stetig zu und treten zudem immer früher auf", sagt Christoph Arnoldner, HNO-Facharzt an der MedUni Wien.

Weil man gegen den Umgebungslärm als Einzelner wenig tun kann, empfiehlt Arnoldner, zumindest bei der selbstgewählten Exposition auf die Lautstärke zu achten. "Was man jetzt schädigt ist definitiv. Es kommt nicht mehr zurück", sagt Arnoldner. Die Limitierung der WHO auf eine Stunde mobiles Musikhören bezeichnet er als "völlig willkürlich", weil es natürlich auch darauf ankäme, wie laut und wie häufig man hört.

Als Richtwert könne man sie aber durchaus akzeptieren. "Wir alle haben Gehörschutz viel zu wenig im Bewusstsein. Es ist eine Lifestyle-Erscheinung, immer etwas im Ohr zu haben. Dabei ist das Musikhören über Kopfhörer potenziell am schädlichsten", sagt Arnoldner. Man müsse mehr regulieren und bereits in der Schule über die Wichtigkeit des Gehörschutzes aufklären.

Einfache Maßnahme

"Mit einfachen vorbeugenden Maßnahmen können junge Menschen auch weiterhin Spaß beim Musik hören haben, ohne dabei ein Risiko einzugehen", sagt Etienne Krug von der WHO. Sie empfiehlt, die Musik auf Handy und Co. nicht zu laut aufzudrehen, Ohrstöpsel bei Konzerten und in der Disco zu tragen – diese können, je nach Typ und abhängig von der richtigen Anwendung – zwischen fünf und 45 Dezibel dämpfen. Für Musiker und Musikliebhaber, die häufig auf Konzerte gehen, empfehlen sich maßgefertigte Ohrschützer aus dem Fachhandel.

Auch sollte man, wenn möglich, geräuschunterdrückende Kopfhörer tragen. Wenn die Umgebungsgeräusche ausgeblendet werden, muss man schließlich nicht mehr ganz so laut aufdrehen, um die Musik genießen zu können. Klarerweise sollte man sich damit aber nicht oder nur äußerst vorsichtig im Verkehr bewegen.

Weiters empfiehlt die WHO, beim Musikhören Pausen einzulegen. Smartphone-Apps können zudem dabei helfen, die Lautstärke auf ein sicheres Maß einzustellen. Zusätzlich solle man auf erste Anzeichen einer Schädigung wie Tinnitus oder ein dumpfes Gefühl im Ohr achten, insbesondere nach dem Besuch von lauten Veranstaltungen. Außerdem sollte man regelmäßig zum HNO-Arzt gehen, um möglichst frühzeitig etwaige Schäden zu erkennen.

Politik gefordert

Auch die WHO betont die Rolle von Politik und Gesetzgebung: Mittels öffentlicher Info-Kampagnen und gesetzlichen Vorschriften für Maximal-Lautstärken könne man Schäden vorbeugen. Konzert- und Partyveranstalter sollten sich zudem an die geltenden Lärmschutz-Richtlinien halten sowie kostenlose Ohrstöpsel und ruhigere "Chillout"-Räume anbieten.

Und an die Gerätehersteller appelliert die WHO, Lautstärkehinweise auf Packung und Anleitung anzubieten, sowie direkt am Gerät über die aktuelle Lautstärke zu informieren. Weil das derzeit de facto bei keinem Gerät der Fall ist, empfiehlt die WHO, maximal 60 Prozent der maximal möglichen Lautstärke tatsächlich auszuschöpfen. (Florian Bayer, derStandard.at, 16.3.2015)