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Ein schwieriges Unterfangen für die Regierung: Für Bezieher von Mindestsicherung soll es stärkere Arbeitsanreize geben. Der Pfusch soll dafür möglichst reduziert werden.
Wien – Nur elf Prozent der Mindestsicherungsbezieher haben nach einem Jahr einen Job, der ihnen so viel einbringt, dass sie auf keine Unterstützung des Staates mehr angewiesen sind. Bei einem guten Drittel aller rund 238.000 Bezieher (Stand 2013) gibt es nach zwölf Monaten zumindest eine Verbesserung bei der Erwerbssituation (sie arbeiten mehr Stunden oder haben bessere Jobs).
Nach Ansicht der Regierung gibt es hier aber noch Verbesserungspotenzial. Wie berichtet, wird – vor allem auf Drängen der ÖVP – an Modellen gearbeitet, die auf stärkere Arbeitsanreize für Mindestsicherungsbezieher hinauslaufen. Ausformulierte Vorschläge gibt es zwar noch nicht, laut Verhandlerkreisen geht es aber darum, flexiblere Zuverdienstgrenzen zu schaffen.
Nur 120 Euro Freibetrag
Derzeit gibt es nur einen starren Freibetrag von rund 120 Euro (wobei es Unterschiede zwischen den Bundesländern gibt). Das heißt: Jeder Einkommenseuro, der über den 120 Euro liegt, wird dem Betroffenen von der Mindestsicherung abgezogen. Ein konkretes Beispiel, das nun in ÖVP-Kreisen genannt wird: Ein Ehepaar mit drei Kindern bekommt in Wien rund 1.800 Euro Mindestsicherung (zwölf Mal im Jahr). Um auf diese Nettosumme im pro Monat zu kommen, bräuchte man ein Bruttoeinkommen von 2.800 Euro (das Gehalt wird freilich 14 mal ausbezahlt). Angesichts des geringen Freibetrags und der statistisch eher schlechten Ausbildung von Mindestsicherungsbeziehern sei das aber fast unmöglich.
An der Sinnhaftigkeit der Regelung wurde bereits 2012 bei einer ersten Evaluierung im Auftrag des Sozialministeriums durch die L&R Sozialforschung gezweifelt. Es bestehe nur eine "reduzierte Motivation", die Erwerbstätigkeit auszuweiten, hieß es damals. Für die Studie wurden Interviews bei den Sozialbehörden durchgeführt. Die Befragten sprachen dem Wiedereinsteiger-Freibetrag "keine positive Wirkung auf die Arbeitsmarktintegration" zu.
Daher wird nun überlegt, höhere und schleichend greifende Freibeträge einzuführen. Verhandelt werden muss das Thema auch mit den Ländern, die für den Vollzug der Mindestsicherung zuständig sind. Vorbild könnte jedenfalls das Kombilohnmodell sein, das es bereits beim Arbeitsmarktservice (AMS) gibt. Wie das funktioniert? Um die Annahme eines Jobs attraktiver zu gestalten, bekommt man zusätzlich zum Gehalt 30 Prozent des bisherigen Arbeitslosengeldes (maximal ein Jahr lang).
Klausur soll Klärung bringen
Erste Details könnten nächste Woche bei der Regierungsklausur in Krems präsentiert werden. Neben Bildung und Integration soll dort der Arbeitsmarkt ein Schwerpunktthema sein. Auch das lang versprochene Bonus-Malus-System für ältere Beschäftigte soll präsentiert werden.
Wie berichtet, wurde dieser Streitpunkt wegen der Wirtschaftskammerwahl aufgeschoben. Kammer-Präsident Christoph Leitl ist strikt dagegen, Unternehmen zu bestrafen, die zu wenige ältere Mitarbeiter beschäftigen. Im Regierungsprogramm hat die ÖVP aber bereits ihre grundsätzliche Zustimmung zu dem Vorschlag erteilt. Für Betriebe mit mehr als 25 Mitarbeitern soll eine verpflichtende Beschäftigungsquote für ältere Mitarbeiter festgelegt werden (nach Branchenschnitt).
Zu klären sind in den nächsten Wochen aber auch noch zahlreiche Fragen, die alle unter dem Titel "Sozialbetrug" subsumiert werden. In Summe möchte sich das Finanzministerium in diesem Bereich 200 Millionen an nicht gerechtfertigten Auszahlungen ersparen. Bei der E-Card sollen beispielsweise die Ärzte und Krankenhäuser zu strengeren Personenkontrollen angehalten werden. Auch im Bereich des Krankenstandsmissbrauchs sind engmaschigere Kontrollen geplant. Und schließlich sind zahlreiche Maßnahmen gegen Scheinfirmen am Bau geplant. (Günther Oswald, DER STANDARD, 17.3.2015)