Fotografen wie Jürgen Teller sprechen sich in den 1990ern gegen die "Glorifizierung des Models" aus: Der Makel - insbesondere in Serien mit Kristen McMenamy - wird Teil der Bildproduktion.

Foto: Jürgen Teller

Linz - "Hiroshima-Chic" und "postatomarer Fetzen-Look", ätzte die Presse. Rei Kawakubos erste Comme-des-Garçons-Modenschau 1981 in Paris war ein Skandal. Männliche, untaillierte Schnitte, obendrein in Schwarz, aber insbesondere mit Textilien, die malträtiert schienen: löchrig, mit zig losen Fäden und unversäuberten Säumen. Das donnerte mitten hinein in den westlichen Imperativ der Perfektion. "Der vermeintliche Fehler und die Optik des Verschleißes waren bewusst eingesetzt in ihrer Kollektion. Das Material war nicht durch Gebrauch verschlissen, sondern es war quasi schon mit Löchern gestrickt", so Ursula Guttmann über einen wesentlichen Moment in der Mode.

Dieser Umbruch in den 1980ern ist für die Künstlerin und Kuratorin Ausgangspunkt für die Ausstellung Love & Loss. Mode und Vergänglichkeit. "Bei uns wird das Alte eher geschliffen, geputzt oder repariert. In der japanischen Tradition ist auch das noch schön, was Spuren der Zeit trägt", sagt Guttmann. Vergänglichkeit wird wertgeschätzt. Und nun schreibt Kawakubo der Mode den Faktor Zeit ein: Das Verlebte und Zerschlissene, einst Subkultur-Statement der Punks, wird Mainstream. Ästhetiken, die aber seither nie wieder wirklich verschwunden sind. Warum?

Die neuen Fetzen sehen heute aus wie alte Klamotten, so "als hätte man schon viel erlebt damit": Farben und Drucke sind verwaschen, der Denim ist in Säure getaucht, verblichen, auf alt getrimmt. Der Designer franzthomaspeter arbeitet mit Brand- und Schmutzspuren, schießt Löcher ins Textil, Martin Margiela lässt Bakterien das Material zersetzen. Fragt man jemanden: "Ist das neu?", schallt es zurück: "Neeeiiiiiin, gaaaanz alt!", so als wäre das Neue, ganz unabhängig von antikapitalistischer Kauf-nix-Attitüden, verpönt. Warum die Liebe zum Verlebten? Fragen, denen Guttmann in Love & Loss im Lentos nachspürt.

Der Körper sei ein Ort, aus dem es kein Entrinnen gibt. Die Mode, vermutet sie, sei vielleicht ein Raum, wo man diese Begrenztheit überwinden kann. Oder sie wirkt wie ein Spiegel, in der der Mensch die eigene Sterblichkeit erblickt. Recht drastisch zerbröselt das Selbstbild im geborstenen Spiegel Heimo Zobernigs. Morbider hingegen das zarte Kleidchen von Louise Richardson, das mit Nachtfaltern besetzt ist, oder ein mürbe gewordenes Textil, dessen Zerfall sogar im Augenblick des Hinschauens weiter fortzuschreiten scheint. Ute Rakob hat dem Stück Stoff ein Jahr Aufmerksamkeit geschenkt, es in ein monumentales Stück Malerei verwandelt.

Ums Zeitwidmen geht es auch Célio Braga in den White Shirts (2001/02): Begonnen hat es mit dem Hemd eines kranken Freundes, das er aus dem Krankenhaus mitnahm: Er bestickte und faltete es immer wieder, bis aus der Handarbeit wieder ein organisches Objekt wurde, das Schmerz, Sorge, Abschied in sich trägt.

Vergänglichkeit also. Vanitas. "When I am dead and in my grave, and all my bones are rotten. When this you see, remember me, that I won't be forgotten." Was Frauen im 17. Jahrhundert etwa auf Laken stickten, schreiben Meg Grant und Anja Hertenberger sensorischen Kleidern ein, die bei einer Umarmung ihr kleines tönendes Memento Mori abspielen.

Eine Modeausstellung ist Love & Loss nicht. Wenn Fashion im Museum gezeigt werde, laufe das letztlich darauf hinaus, "beweisen zu wollen, dass Mode Kunst ist. Und das hat mich gar nicht interessiert", so Guttmann. Dass die Grenzen zwischen den Disziplinen fließend verlaufen, ist also keiner Doktrin geschuldet - einzig dem Thema. Die Vergänglichkeit verknüpft sich etwa auch mit dem Aspekt der Angst, des Unheimlichen, einem von insgesamt 13 Kapiteln: Beengend und umhüllend zugleich etwa das Snake Dress Iris van Herpens - schwarz und glänzend scheinen die "Arme" den Körper zu durchdringen.

Nach Geld stinken

In Alexander McQueens Mode war die Auseinandersetzung mit dem Tod sehr intensiv, spiegelte sich etwa in Motiven wie Totenköpfen. In der letzten Kollektion vor seinem Freitod waren es Engel, deren Flügel den ganzen Rücken der Models überzogen.

"You may look good, but you feel bad", lautet ein Statement des Kollektivs Apparatus 22, das sich den hässlichen Seiten des Biz annimmt. Ein Albtraum, der einen gefangen nimmt wie die junge Tilda Swinton im Film Caprice und der einem das letzte Geld aus der Tasche zieht wie den tragischen Dandys in den Elendsvierteln von Brazzaville. Böse der Kommentar von Robert Jelinek: Er entwickelte den Duft One Million Cash, damit jeder einmal nach Geld stinken kann. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 19.3.2015)