Diversity wird in vielen Weiterbildungsprogrammen in Österreich bereits abgebildet: Von Genderpädagogik, interkultureller Pädagogik und interreligiösem Dialog über inklusive und integrative Pädagogik bis zu Geragogik (Lernen bis ins hohe Alter) und lebenslagem Lernen reicht das Angebot in zahlreichen großen und kleinen Bildungsinstituten.
Doch obwohl das Angebot recht bunt ist, bleibt die sexuelle Orientierung - konkret LGBTI (lesbisch, schwul, bi-, trans- und intersexuell) - in der Aus- und Weiterbildung häufig ein Tabu. Angebote in diese Richtung finden sich in den Bildungskatalogen nicht. Für Norbert Pauser, Geschäftsführer von Pauser Diversity & Inclusion Consulting, ein Grund, das zu ändern: "Ein Paradigmenwechsel im Bereich der Aus- und Weiterbildung in Bezug auf LGBTI ist längst überfällig. Zahlreiche Untersuchungen weisen darauf hin, dass nicht nur LGBTI dahingehend Bildungsbedarf haben, sondern auch und vor allem die heterosexuelle Mehrheitsgesellschaft", sagt Pauser. Er ruft deshalb das Projekt "Akademie der Vielfalt - Bildung unter dem Regenbogen" ins Leben.
Zwei Schwerpunkte
Das Projekt ist zweigeteilt: Diesen Herbst soll eine Konferenz zum Thema stattfinden, der Fokus liegt aber auf einem Weiterbildungskatalog, der von Bildungsinstituten aufgegriffen werden kann. "Unsere Akademie kann etwas Einmaliges leisten", sagt Pauser. "Mittels relativ einfacher technischer Mittel bündeln wir jene Organisationen und Personen, die bereit sind, proaktiv an einem gelungenen Zusammenleben und -lernen zu arbeiten. Es steht sämtlichen Bildungseinrichtungen damit offen, ob sie diese Themen aufgreifen möchten oder nicht."
Dass Bedarf für ein solches Angebot besteht, merkt auch Wolfgang Wilhelm, Leiter der Wiener Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche und transgender Lebensweisen (WASt), an. Bei der WASt wurden bereits Unterrichtsmaterialien entwickelt, die es Pädagogen erleichtern, in schulischen Kontexten die Vielfalt menschlicher Beziehungen adäquat anzusprechen. "In unserer heteronormativen Gesellschaft, wo also Mann-Frau-Beziehungen als gesellschaftliche Norm gelten, haben Kinder fast nur heterosexuelle Vorbilder. Lesbischen, schwulen und bisexuellen Jugendlichen fehlen aber Role-Models, die auch gleichgeschlechtlich leben", sagt Wilhelm. Die WASt ist eine von mehreren Partnerorganisationen für die Akademie der Vielfalt.
Homophobie verhindern
Ist sexuelle Orientierung aber nicht Privatsache? "Werde ich am Montagmorgen in der Arbeit gefragt, wie ich mein Wochenende verbracht habe, und erzähle ich, dass ich mit meiner Partnerin einen Ausflug gemacht habe, so oute ich mich als homosexuell. Das tun heterosexuelle Menschen übrigens ununterbrochen. Sich selbstverständlich als sie selbst outen. Bei LGBTI sieht die Sache etwas anders aus. Sie müssen ununterbrochen abwägen, ob sie sich zur Verfügung stellen oder nicht", beschreibt Marion Andrlik von Pauser Diversity & Inclusion Consulting die Bedeutung. Die Reaktionen seien keineswegs vorhersehbar und die Konsequenzen oft negativ, fährt sie fort. "Die fortgesetzte Tabuisierung dieser Themen in der Aus- und Weiterbildung ist deshalb abzubauen."
Eigene Kurse für LGBTI soll es nicht geben. "Das Thema soll selbstverständlich behandelt werden. Da tun sich noch Abgründe auf. Wie umgehen mit einem Coming-out? Wie verhindern wir Homophobie? Allein in der U-Bahn zuhören zu müssen: 'Die Schularbeit war voll schwul.' Das ist unerträglich, besonders wenn Kinder mit diesem Bewusstsein aufwachsen", sagt Pauser. (lhag, DER STANDARD, 21./22.3.2015)