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330 Tonnen Müll landen pro Monat in der Guanabara-Bucht, 2016 sollen hier die Olympischen Sommerspiele stattfinden.

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Ein Fischer versucht sein Glück an der Bucht vor den Toren Rios mit Blick auf den Zuckerhut. Im Wasser schwimmen tausende tote Fische.

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Der Kampf ist schon lange verloren. Die Umweltschützerin Dora Hess de Negreiros gibt sich keinen Illusionen mehr hin. "Jetzt wird im Namen der Olympischen Spiele schnell der Spiegel geputzt, Make-up aufgetragen und versucht, den Schmutz zu verstecken", sagt die pensionierte Ingenieurin und Gründerin des Umweltinstituts Baía de Guanabara. Seit mehr als 20 Jahren kämpft sie gegen die totale Verschmutzung der traumhaft gelegenen Guanabara-Bucht vor Rio de Janeiro. Pro Sekunde ergießen sich 10.000 Liter Abwasser in die Bucht, nur rund 25 Prozent davon wurden zuvor geklärt.

In weniger als 500 Tagen sollen in dem vor Fäkalien stinkenden Gewässer die olympischen Segel- und Ruderwettbewerbe stattfinden. Bis dahin, so war das Versprechen der Organisatoren, sollten 80 Prozent des Wassers gereinigt sein. Das war eine der Auflagen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) für die Vergabe der Sommerspiele 2016 an Rio de Janeiro.

Politische Versäumnisse

Vor ein paar Wochen musste der Gouverneur des Bundesstaates, Luiz Fernando Pezão, kleinlaut eingestehen, dass diese Zielvorgabe nicht einzuhalten sei. Das Säuberungsprogramm gehe zu schleppend voran, gab er zu. Denn weder funktionieren die errichteten Kläranlagen, noch können die sogenannten "Ökobarrieren" die Tonnen von Schutt, Elektromüll und Plastikflaschen aufhalten, die tagtäglich die Bucht fluten. "Es reicht nicht, den Müll aus der Bucht zu baggern, dabei aber nicht die Ursachen zu bekämpfen", sagt Negreiros.

Dabei versprach Rio de Janeiro schon beim UN-Klimagipfel 1992 vor internationalem Publikum die Reinigung ihres Aushängeschilds. Aber erst zwei Jahre später wurde mit Unterstützung der Interamerikanischen Entwicklungsbank ein Programm in Höhe von rund 1,11 Milliarden Euro aufgelegt.

Doch auch nach mehr als zehn Jahren Laufzeit gab es fast keine nachweisbaren Verbesserungen der Wasserqualität. Den Grund dafür nennt der ehemalige Umweltsenator von Rio de Janeiro, Carlos Minc, selbst: fehlende Transparenz, keine Zusammenarbeit mit den Kommunen und Korruption bei den Bauvorhaben. "Es wurden Monumente der Inkompetenz, der Illusion errichtet", sagt er verbittert.

Postkartenidylle

Dabei ist der Blick auf die Einfahrt nach Rio de Janeiro eine Postkartenidylle. In unzähligen Sambas wird die Schönheit der Bucht mit dem Zuckerhut, kleinen Inseln mit Südseeflair und den zuckerweißen Stränden besungen. Eine "Toilette" sei das Wasser, konstatiert dagegen der Umweltaktivist Mario Moscatelli, der als das grüne Gewissen von Rio de Janeiro gilt. Den olympischen Seglern und Surfern rät er, nur nicht ins Wasser zu fallen. Auch das Urteil der Sportler fiel nach einem Testlauf im vergangenen Jahr verheerend aus. "Ich bin noch nie in so dreckigem Wasser gesurft", sagte der englische Surfer Nick Dempsey angewidert. Bei den Testwettbewerben trieb den Surfern Müll entgegen, sogar ein toter Hund war dabei.

In die 380 Quadratkilometer große Bucht münden allein aus der Metropolregion Rio rund 45 Flüsse. Viele verlaufen unter der Stadt hindurch und sind einbetoniert. Die Einfahrt in die Bucht ist nur 1,5 Kilometer breit, weswegen sich das Wasser mit dem Atlantik sehr langsam austauscht. Es gibt entlang der Bucht drei große Kläranlagen, die aber nicht ausgelastet sind. Die größte heißt "Alegria" ("Freude") und sollte 5000 Liter Abwasser pro Sekunde reinigen. Derzeit sind es weniger als die Hälfte. Noch kläglicher fällt die Bilanz für die anderen Anlagen aus. Das Problem: Es fehlen die Zuleitungen von den Haushalten und Unternehmen.

330 Tonnen Müll pro Monat

Auch die Ökobarrieren, die aus Stahlgittern bestehen, sind nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. "Das ist zwar besser als nichts", sagt Umweltaktivist Moscatelli. Sofas, alte Fernseher und Bauschutt blieben schon in den Gittern hängen. "Aber Fäkalien, Spülwasser oder Chemierückstände fließen ungehindert in die Bucht." Rund 330 Tonnen Müll würden pro Monat in die Bucht gespült, wovon durchschnittlich nur 25 Tonnen abgefangen würden. "Natürlich kennt jeder Politiker seit Jahrzehnten die Missstände. Doch es fehlt einfach der Wille", ist Moscatellis Fazit.

Es ist auch ein Kampf gegen die Zeit. Der Umweltaktivist ist sich sicher, dass er jetzt Druck auf die Politik machen muss. Denn nach den Olympischen Spielen wird sich kaum noch jemand für die Umweltverschmutzung in der Guanabara-Bucht interessieren. (Susann Kreutzmann aus Rio de Janeiro, DER STANDARD, 21.3.2015)