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Chefsache: Alexis Tsipras sucht Deal mit den Europartnern.

Die Sitzordnung bei heiklen und außertourlichen EU-Krisentreffen sagt oft mehr über die politische Lage aus als das, was die Minister und Regierungschefs hinterher öffentlich dazu sagen. So war das auch in der Nacht auf Freitag, als sich nach dem Ende der regulären Sitzung der 28 Regierungschefs beim EU-Gipfel vor Mitternacht ein kleiner Kreis von EU-Spitzen mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras um einen runden Tisch versammelte.

Der hatte kaum mehr als zwei Meter Durchmesser. Die Teilnehmer konnten einander also direkt in die Augen sehen, "spürten" den Nachbarn. Berater, Sprecher waren weggeschickt.

Tsipras saß eingekeilt zwischen EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker (der ihm seit längerem zu helfen versucht) und Ratspräsident Donals Tusk, der alles arrangiert hatte. Genau vis-à-vis von ihm saß die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, neben ihr Frankreichs Präsident François Hollande, dazwischen waren EZB-Chef Mario Draghi und Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem platziert.

Kleine sind verschnupft

Kleine Eurostaaten wie Belgien und Österreich zeigten sich zwar etwas verschnupft, weil sie ausgeschlossen waren. Aber in dieser "intimen" Konstellation sollte es nur ein Thema geben - und Tacheles geredet werden: Wie man aus der Blockade des Abschlusses des zweiten Eurohilfspakets für Griechenland herauskommen könnte, um eine Pleite zu verhindern.

Auf den Tag genau einen Monat davor hatten die Finanzminister der Eurogruppe eine Verlängerung dieses Programms um vier Monate beschlossen. Daran ist die Auszahlung von ausständigen 7,2 Milliarden Euro geknüpft, ohne die das Land zahlungsunfähig würde - irgendwann im Frühjahr, wie es bis Freitag hieß. Da die Regierung in Athen jedoch die vereinbarten Spar- und Reformprogramme nicht umsetzen will, gab es Stillstand. "Es ist wochenlang nichts geschehen", klagte Merkel. Finanzminister Yiannis Varoufakis war es nicht gelungen, zusätzliche Sozialreformen auszuhandeln. Im Gegenteil, am Tag vor dem Gipfel wurden die Prüfer der Geldgeber, die "Troika" oder "Institutionen" wieder nach Hause geschickt.

Insbesondere mit dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble lag er im Clinch, wegen einer "Stinkefingeraffäre" ebenso wie wegen des Streits um Entschädigungszahlungen. Die Ausgangslage für eine mögliche Lösung auf der höchsten politischen Ebene war also nicht gerade günstig.

Athen Ende März pleite

Umso überraschender war dann das Ergebnis, als die "Siebenerbande" nach drei Stunden eines "intensiven konstruktiven Gesprächs" wieder auseinanderging. Es gab sogar eine gemeinsame schriftliche Erklärung: Im "wechselseitigen Vertrauen" wolle man die Arbeit sogar "beschleunigen", die Regierung in Athen werde bereits "in den nächsten Tagen" von ihr gewünschte Reformen in einer Liste vorlegen, alles auf Basis der Vereinbarung der Eurogruppe vom 20. Februar, und die Finanzminister stünden bereit, das alles sofort über die Bühne zu bringen.

Was war also in der Runde passiert, dass ein solcher Stimmungswandel erfolgte? Die meisten Regierungschefs zeigten sich nach dem EU-Gipfel optimistisch, dass das Problem gelöst wird.

Tsipras hatte in der Sitzung zuerst versucht, seine Kollegen davon zu überzeugen, dass sie ihm eine "Zwischenfinanzierung" von mehreren Milliarden Euro ermöglichen. Merkel lehnte das ab, verwies darauf, dass die Vereinbarungen halten müssten.

Troika prüft rasch

Es lag dann an Draghi, Tsipras darauf hinzuweisen, dass er nicht mit der weiteren Hilfe seines Institutes rechnen könne, berichteten Beobachter der Szene, man brauche den formellen recht- lich verbindlichen Abschluss des Programms. Dazu zeigte sich der griechische Ministerpräsident schließlich bereit. Er überraschte die Runde dann aber damit, als er sagte, er habe nicht mehr bis Ende April Zeit, weil das Land bis dahin Pleite wäre. So kam man überein, dass schon bis Ende März ein Deal gefunden werden müsse.

Ob das hält, wird sich bereits Anfang nächster Woche zeigen: Geplant ist, dass die Troika die Reformvorschläge und die Budgetzahlen binnen einer Woche prüft, die Eurofinanzminister würden sich binnen zehn Tagen zur Beschlussfassung treffen. Nicht viel Zeit, um ein Land zu retten. (Thomas Mayer aus Brüssel, DER STANDARD, 21.3.2015)