Wien - Mohammed Lashin war gerade Erde kaufen. Er schleppt den schweren Sack nach Hause, wo er auf dem Balkon seiner Wohnung Rosen pflanzen will. "Ich wohne seit 25 Jahren in diesem wunderbaren Bezirk", schwärmt der gebürtige Ägypter. Er könne sich keine bessere Gegend in Wien vorstellen. Es gebe Grünflächen, man habe es nicht weit zur U-Bahn, und die Nachbarn seien freundlich.

Wien-Simmering: Graue Wohnanlagen, grünes Drumherum.
Foto: derstandard.at/maria von usslar

Es ist ein sonniger Tag in der Florian-Hedorfer-Straße in Wien-Simmering. Pensionisten sind mit Einkaufstrolleys unterwegs, Schüler am Nachhauseweg. Anfang November war die Stimmung um einiges aufgeheizter. Die FPÖ hatte zu einer Kundgebung aufgerufen, zu der rund 250 Personen gekommen waren. Klubobmann Johann Gudenus wetterte gegen den "politischen Islam". Der Grund dafür? Gerüchte um eine Imam-Schule in der Straße, errichtet von der Islamischen Föderation in Wien, einer Partnerorganisation der antidemokratischen, länderübergreifenden Milli-Görus-Bewegung.

Der Rohbau steht, offen ist, ob die Imam-Schule genehmigt wird. Obwohl der Bezirk protestiert, ist das Projekt noch nicht vom Tisch.
Foto: derstandard.at/maria von usslar

Spricht man die Leute auf der Straße heute darauf an, ist die Verunsicherung nach wie vor groß. Während der Wintermonate sei die Baustelle stillgestanden, aber nun werde eifrig weitergearbeitet. Die Gerüchteküche brodelt. Die einen hoffen, dass "nur" ein islamischer Kindergarten errichtet wird, andere fürchten die Radikalisierung des ganzen Bezirks.

"Religion ausüben dürfen"

Lashin, selbst Muslim, wohnt direkt hinter der geplanten Imam-Schule. Er sieht die Diskussion gelassen: "Solange es keine extremen Leute gibt, die Konflikte mit anderen Religionen suchen, soll jeder seine Religion ausüben dürfen. Man sollte tolerant sein."

Bekannt geworden waren die Pläne im vergangenen Juni nach einem Artikel der Salzburger Nachrichten, die berichteten, dass eine "Imam Hatip" -Schule gebaut werden soll, also ein Berufsfachgymnasium des türkischen Staates für die Ausbildung zum Imam. Deutsch würde in der für 80 Schüler geplanten Einrichtung nur als Fremdsprache angeboten. Das widerspricht den Plänen der österreichischen Regierung, die eine Imam-Ausbildung an der Uni auf Deutsch forciert.

Es war von einem Kindergarten die Rede

Der Bezirk reagierte überrascht auf die Veröffentlichung, und das, obwohl das Bauprojekt genehmigt worden war. Bezirksvorsteherin Eva-Maria Hatzl verteidigt sich im Gespräch mit dem STANDARD: "Wir haben selbst lange Zeit nicht gewusst, was der Verein genau plant." In den Anträgen sei von einem Kindergarten die Rede gewesen.

Die Imamschule hinter Bauzäunen. Derzeit sind die Zimmerer am Werk.
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Am Freitag fand nun die Bauverhandlung statt. Die Betreiber hielten an der Imam-Schule fest, und die Bezirksvertretung deponierte ihren Protest. Hatzl stört in erster Linie die Umgangssprache Türkisch: "Wir sind in Österreich, da sollte man Deutsch sprechen." Erreicht wurde am Freitag nichts, die Entscheidung ein weiteres Mal vertagt.

Mangelnde Information

Was diese fehlende Kommunikation bei den Anrainern bewirkt, zeigt sich, wenn man mit Sabine Ganser spricht. Mit ihrer 14 Monate alten Tochter verbringt die gebürtige Simmeringerin den sonnigen Tag auf dem Spielplatz neben dem Bauprojekt. "Wir sind angelogen worden", ärgert sie sich. "Zuerst hat es geheißen, es wird ein Kindergarten gebaut und jetzt doch etwas anderes." Ihre Angst? "Ich befürchte, dass es Probleme geben wird." Welche, könne sie aber "noch nicht abschätzen".

Die Projektbetreiber sind zunächst einverstanden, dem STANDARD ein Interview über die geplante Schule zu geben. Zwei Tage später wird der Termin abgesagt. Es gebe derzeit nichts zu sagen, und man werde sich melden, sobald es Neuigkeiten gibt, sagt Yakup Gecgel, Sprecher der islamischen Föderation in Wien. (Rosa Winkler-Hermaden, Maria von Usslar, DER STANDARD, 21.3.2015)