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Seit 2003 tourt die Scientology-Vorfeldorganisation CCHR mit der Ausstellung "Psychiatrie - Tod statt Hilfe" durch Europa. Auch in Wien machte sie bereits halt. In Los Angeles ist sie als Dauerausstellung zu sehen.

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Auch Demonstrationen hielt die Gruppe in Wien bereits ab.

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Wien - Es ist ein edles Ziel, das sich die "Bürgerkommission für Menschenrechte" gesetzt hat. Wie sein internationaler Dachverband ,"Citizens Commission on Human Rights" (CCHR), bezeichnet sich der Verein als "gemeinnützige Organisation, die sich weltweit für die Menschenrechte in der Psychiatrie einsetzt". Angeprangert wird vor allem, dass Kindern in reiner Gewinnabsicht Psychopharmaka verordnet werden.

Anders sieht das Ursula Caberta von der städtischen Hamburger Behörde "Arbeitsgruppe Scientology". Caberta beschreibt CCHR als "radikalen Arm von Scientology, der vordergründig Missstände anprangert, auf diese Weise aber Menschen in die Organisation hineinzuziehen versucht."

Der deutsche Verfassungsschutz stuft Scientology als Bewegung mit "totalitärem Charakter" ein. Auch der Wiener Verfassungsschutz beobachtet den von L. Ron Hubbard erdachten Science-Fiction-Kult – der sich selbst als Kirche deklariert, laut Aussteigern aber wie ein repressiver Konzern agiert, Vergehen mitunter mit Straflager sanktioniert und einen Geheimdienst unterhält.

In staatlichen Räumlichkeiten

Die Scientologen machen kein Geheimnis daraus, auch im Namen der "Bürgerkommission für Menschenrechte" aufzutreten. "Das wollen wir gar nicht verheimlichen", sagt Bernd Trepping, Europachef von CCHR, zu derStandard.at. Die Adresse des österreichischen Ablegers deckt sich mit der des "Scientology Celebrity Centre Wien" in der Liesinger Akaziengasse.

Bis Anfang April operiert die "Bürgerkommission für Menschenrechte" aber auch von staatlichen Räumlichkeiten aus. Denn ihr wurde das 1919 in den Besitz der Republik Österreich übergegangene Palais Palffy in Wien zur Verfügung gestellt, um die Ausstellung "Psychiatrie – Tod statt Hilfe" zu zeigen.

Es sei "die erfolgreichste Ausstellung zur Geschichte der Psychiatrie und ihren Verbrechen an der Menschheit", schreiben die Veranstalter über die bereits seit 2003 durch die Welt tourende Schau, die. Zwar sei Kritik an einigen psychiatrischen Methoden angebracht, schreibt Wilfried Handl, Ex-Chef von Scientology Österreich und mittlerweile Kritiker, in seinem Blog. Die Anti-Psychiatrie-Ausstellung läuft laut Handl aber nur in einem "auf Kampf eingestellten Sektenmodus".

"Das Ansehen Österreichs vermehren"

Ein wirklicher Ausschlussgrund ist das für Erich Peischl nicht. Peischl ist der Vorsitzende des Vereins Österreichisches Kulturzentrum (ÖKZ), der das Palais Palffy im Namen der Republik bewirtschaftet. Er entscheidet über die Mietanfragen potenzieller Veranstalter, räumt aber ein: "Wir überprüfen eigentlich nicht, welchen Einrichtungen die Organisatoren nahestehen." Nur aus strafrechtlich relevanten Gründen sage man ab.

Das ÖKZ sieht seine Aufgabe in der "Förderung aller Maßnahmen, die das Ansehen Österreichs im Kunst- und Kulturleben unserer Heimat in Europa und auf der ganzen Welt vermehren". Ob eine Scientology-Ausstellung dieses Kriterium erfüllt, sei freilich diskutierbar, sagt Peischl: "Wir wären gern in der Situation, besser auswählen zu können. Aber wir verdienen nur an der Vermietung. Wegen der Sparpolitik und gestrichener Kulturförderungen sind wir gezwungen, auch kritisch beurteilte Veranstalter in Kauf zu nehmen."

Schockbilder im Phantastenmuseum

So prangen nun 14 Schautafeln und Fernsehschirme vor den Werken des Phantastenmuseums im Palais Palffy, um mit Schockbildern und reißerischen Überschriften vor der Psychiatrie zu warnen. Sie erfinde "in einem inflationären Ausmaß Geisteskrankheiten, mit denen man faktisch jeden einzelnen Bürger mit einer Geisteskrankheit etikettieren könnte", lautet einer der Lehrsätze. Kritiker argumentieren, dass Scientology die Disziplin vor allem deshalb in Misskredit bringt, um den eigenen Persönlichkeitsbehandlungen Deutungshoheit zu verschaffen.

In der Ausstellung werden überholte Methoden wie Lobotomien, umstrittene Zwangsbehandlungen durch Elektroschocks und Fixierungen und anerkannte Therapien mit Verschwörungstheorien vermischt – etwa dass Psychiater die maßgebliche Verantwortung am Holocaust tragen.

Ex-Gerichtspräsident als Festredner

Auf den berüchtigten NS-Euthanasiearzt Heinrich Gross ging in der Eröffnungsrede am Montag auch Karlheinz Demel ein. Demel war bis Anfang der 1990er-Jahre nicht nur Präsident des Arbeits- und Sozialgerichts Wien, sondern auch Vorsitzender des von SPÖ-Politikern gegründeten Club 45, der sein Ende im Lucona-Skandal fand. Ein parlamentarischer Untersuchungssausschuss kam 1989 zu dem Schluss, dass Demel "oft unter Ausnutzung seiner vielfältigen Funktionen" zum Schutz des wegen sechsfachen Mordes gesuchten und später auch verurteilten Udo Proksch interveniert hatte.

Nach seiner Suspendierung verschrieb sich Demel dem Anti-Doping-Kampf, nun trat der 77-Jährige auf Einladung eines Bekannten hin als Festredner für die "Bürgerkommission für Menschenrechte" auf.

Anti-Psychiatrie-Demonstration

Der Zeitraum der Ausstellung ist nicht willkürlich gewählt, sondern gegen den von kommenden Freitag bis Sonntag in Wien tagenden Jahreskongress der Europäischen Vereinigung für Psychiatrie (EPA) programmiert; 4.000 Kongressteilnehmer werden erwartet. Just für Samstag ruft die "Bürgerkommission für Menschenrechte" auch zu einer Anti-Psychiatrie-Demonstration auf.

Vom Alten AKH werden die Teilnehmer zur Schlusskundgebung am Stephansplatz marschieren. Die Vereinigung "Destruktive Gruppen erkennen" ruft dort zu einer Schilderaktion auf. Plakate und Transparente mit der Aufschrift "Vorsicht Scientology" sollen auf die Hintergründe der Versammlung aufmerksam machen. (Michael Matzenberger, derStandard.at, 24.3.2015)