Gas und Staub steigen von "Tschuris" Oberfläche auf, während sich der Komet dem sonnennächsten Punkt auf seiner Umlaufbahn nähert.

Foto: ESA/Rosetta/NAVCAM

Bern - Mithilfe der ESA-Sonde "Rosetta" konnte zum ersten Mal molekularer Stickstoff (N2) in der Umgebung eines Kometen gemessen werden. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse liefern wichtige Schlüsse zur Entstehung unseres Sonnensystems, berichten Forscher der Universität Bern im Fachjournal "Science".

N2 ist der Hauptbestandteil der Erdatmosphäre und findet sich nach heutigem Wissensstand etwa auch in den Atmosphären und auf den Oberflächen von Pluto und dem Neptunmond Triton. Man nimmt an, dass es sich bei N2 während der Entstehung unseres Sonnensystems um die häufigste Form des Stickstoffes handelte. Forschern um Martin Rubin vom Physikalischen Institut der Universität Bern ist es nun gelungen, dieses Molekül zum ersten Mal in der Koma, also in der Atmosphäre eines Kometen, nachzuweisen.

ROSINA sorgt für nötige Auflösung

"Obwohl man annimmt, dass Kometen wie 67P/Tschurjumow-Gerassimenko in der selben Region wie Triton und Pluto entstanden sind, war es bisher nicht möglich, den molekularen Stickstoff in ihnen nachzuweisen", so Rubin. Denn im Eis des Kometen könne nur sehr wenig N2 eingefangen und gespeichert werden. "Um diese geringen Mengen zu messen, waren Auflösungsvermögen und Sensitivität der bisherigen Beobachtungsinstrumente einfach nicht hoch genug".

Mithilfe des Massenspektrometers ROSINA an Bord der Sonde "Rosetta" gelang dieser Nachweis nun. "ROSINA hat die nötige Auflösung, um Moleküle mit beinahe gleicher Masse zu unterscheiden; also etwa molekularen Stickstoff und Kohlenmonoxid", sagte Rubin. Die Messungen würden darauf hindeuten, dass der Komet in einer sehr kalten Region unseres Sonnensystems entstand. "Die Menge an molekularem Stickstoff, den Kometen wie "Tschuri" zur Erde gebracht haben können, ist viel geringer als die anderer stickstoffhaltiger Moleküle wie Ammoniak", erklärte indes ROSINA-Projektleiterin Kathrin Altwegg.

Irdisches Wasser anderen Ursprungs

Ihrer Meinung nach sei dies ein weiteres Indiz dafür, dass Kometen aus der Jupiter-Familie, der auch "Tschuri" angehört, weder für das irdische Wasser noch für Gase wie N2 die Hauptquelle sein dürften. Die Forscherin und ihr Team haben vor kurzem herausgefunden, dass sich das Verhältnis von Deuterium, also von "schwerem Wasserstoff", zu Wasserstoff im Wasser des Kometen deutlich von dem auf der Erde unterscheidet. Dies deutet darauf hin, dass das irdische Wasser einen anderen Ursprung hat.

"Wie die Herkunft des Wassers war auch der fehlende molekulare Stickstoff in Kometen eine der offenen Fragen der Giotto Mission zum Kometen 1P/Halley vor fast 30 Jahren", so Altwegg. "Es erfüllt mich mit großer Genugtuung, diese Frage heute beantworten zu können." Für Matt Taylor, den wissenschaftlichen Leiter der "Rosetta"-Mission, ist die Entdeckung des molekularen Stickstoffs ein weiteres Puzzle-Teilchen bei der Erforschung, welche Rolle Kometen der Jupiter-Familie in der Entwicklung unseres Sonnensystems spielten.

Der Komet und mit ihm auch das Minilabor "Philae" und die Raumsonde "Rosetta" sind noch etwa fünf Monate vom sonnennächsten Punkt ihrer Umlaufbahn entfernt. "Wir werden nun beobachten, wie sich die Zusammensetzung der Gase während der Annäherung ändert und versuchen, daraus weitere Schlüsse über die Vergangenheit des Kometen zu ziehen", so Taylor. (red, derStandard.at, 22.3.2015)