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Die israelische Polizei im Einsatz, nachdem in Jerusalem erneut ein palästinensischer Autofahrer mehrere Fußgänger verletzte.

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Premier Benjamin Netanjahu nach seinem Wahlsieg in Tel Aviv am vergangenen Mittwoch. Wegen seiner Äußerungen im Wahlkampf stand er zunehmend in der Kritik.

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Mary McGowan Davis, Vorsitzende der UNO-Untersuchungskommission zu Menschenrechtsverletzungen im Gaza-Krieg.

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In Jerusalem herrsche ein Klima der "Polarisierung und Gewalt" und in der Stadt sei es nun so gefährlich, wie seit dem Ende der zweiten Intifada im Jahr 2005 nicht mehr. Zu diesem Schluss kommen Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten in Jerusalem in ihrem Jahresbericht, aus dem der "Guardian" zitiert. Der Bericht erscheint jährlich und gibt außenpolitischen Entscheidungsträgern der Europäischen Union Empfehlungen.

"Spannungen, Misstrauen und Gewalt" hätten in Jerusalem ein extrem hohes Ausmaß erreicht, das "die Realisierbarkeit der Zweistaatenlösung zunehmend gefährdet". Grund dafür sei in erster Linie der "systematische" Siedlungsbau in "sensiblen Stadtteilen" Jerusalems. Im Bericht wird laut "Guardian" auch empfohlen, über schärfere Sanktionen gegenüber Israel nachzudenken. Diese sollten sich vor allem gegen Produkte aus den Siedlungsgebieten sowie "bekannte gewaltbereite Siedler" richten.

Mehrere Gründe für zunehmende Gewalt

Neben dem Siedlungsbau nennt der Bericht außerdem die immer wiederkehrende Konfrontation auf dem Tempelberg als Grund für eine "ernstzunehmenden Radikalisierung" beider Seiten. Jerusalem sei nun so tief gespalten wie zuletzt 1967, als Israel den Osten der Stadt eroberte.

Unter den besonders gravierenden Vorfällen des vergangenen Jahres listet der Bericht unter anderem die Entführung und Ermordung eines jungen Palästinensers durch jüdische Extremisten auf. Außerdem sei die Gewalt auch nach mehreren Angriffen von palästinensischen Autofahrern auf Menschenmengen eskaliert sowie nach einer tödlichen Attacke auf Juden, die in einer Synagoge gebetet hatten.

Schließlich habe sich die Lage auch verschlechtert, weil israelische Sicherheitskräfte immer wieder Strafmaßnahmen gegen Palästinenser ausführen; unter anderem Zwangsräumungen oder Zerstörungen einzelner Häuser. Zudem zeigt die israelische Armee in von Palästinensern bewohnten Stadtteilen zunehmend Präsenz und führt Kontrollen durch. Deshalb sei es zu mehr Konfrontationen mit Jugendlichen gekommen, was 1.300 Festnahmen zur Folge hatte – 40 Prozent der Verhafteten waren minderjährig.

Netanjahu rudert zurück

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte auch die antiarabische Stimmung in Israel selbst in den Tagen vor der Wahl noch einmal angeheizt, als er davor warnte, dass sich die arabischen Israelis "in Horden" zu den Wahlurnen begeben würden und dem etwas entgegengesetzt werden müsse. Im Nachhinein bereut Netanjahu nun diese Aussagen wieder und sagte in einem auf Facebook veröffentlichten Video: "Ich weiß, dass das, was ich vor ein paar Tagen gesagt habe, arabische Israelis gekränkt hat." Immerhin rund ein Fünftel aller Israelis sind arabischstämmig.

Umstrittene Aussagen zur Zweistaatenlösung

Eine Woche nach dem Wahlsieg des konservativen Likud unter Benjamin Netanjahu und der von ihm geplanten Koalition mit rechten und religiösen Parteien scheinen sich die Gräben zwischen Israel und dem Westen zu vertiefen.

Die USA planten bereits, ihr Verhältnis zur israelischen Regierung neu zu bewerten, nachdem Netanjahu im Wahlkampf eine Zweistaatenlösung mit den Palästinensern abgelehnt hatte. Nach geschlagener Wahl ruderte der israelische Premier zurück: Er könne sich "echte" Friedensgespräche mit den Palästinensern vorstellen. Voraussetzung für eine realistische Zweistaatenlösung sei Sicherheit für Israel und die Anerkennung des jüdischen Staates durch die Palästinenser, sagte Netanjahu.

UNO fordert Kooperation

Auch vonseiten der Vereinten Nationen hagelte es zuletzt Kritik: UN-Generalsekretär Ban Ki-moon sagte am Freitag, die Zweistaatenlösung sei "der einzige Weg nach vorne". Außerdem ermahnte er Netanjahu, die von Israel zurückgehaltenen Steuereinnahmen für die palästinensische Autonomiebehörde zu überweisen. Seit Jahresbeginn behält die israelische Regierung diese der Autonomiebehörde zustehenden Steuereinnahmen ein.

Israel wurde zudem aufgefordert, bei der Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen im Gazastreifen zu kooperieren und seine bisherige Weigerung, den Zugang zu erlauben, aufzugeben. Geplant war bereits für März eine Präsentation eines Untersuchungsberichts zu Menschenrechtsverletzungen im Gaza-Krieg. Die neue Vorsitzende der entsprechenden UNO-Untersuchungskommission, Mary McGowan Davis, kündigte nun an, dass sich diese bis Ende Juni verzögern würde. Davis ist die Nachfolgerin des kanadischen Juristen William Schabas, der Anfang Februar nach israelischen Vorwürfen der Voreingenommenheit von seinem Amt zurückgetreten war. (red/maa, derStandard.at, 24.3.2015)