Wien - Schwärmen wird künftig einfacher. Zumindest wenn es um das Einsammeln kleiner Geldbeträge für Unternehmensfinanzierungen geht. Zweieinhalb Jahre ist es her, seit sich der Waldviertler Schuhmacher Heini Staudinger ein Duell mit der Finanzmarktaufsicht rund um verbotene Bankgeschäfte lieferte und eine emotionale Grundsatzdebatte über Anlegerschutz und finanzielle Autonomie auslöste. Seither wuchs in Österreich eine kleine, aber engagierte Szene an Crowdfunding-Plattformen heran. Mitsamt der Investoren tummelten sie sich jedoch in einer rechtlichen Grauzone.
Jetzt bekommt das Kind einen Namen und klar definierten Spielraum. Nach monatelangem Stillstand rang sich die Politik auf einheitliche Regeln durch, unter anderem auf Druck der Jungen Wirtschaft und der Grünen. Sie bedingen eine Änderung des Kapitalmarktgesetzes und werden in den nächsten Tagen publik gemacht.
Wie der STANDARD aus Verhandlungskreisen erfuhr, gilt die volle Prospektpflicht künftig erst ab ei- nem Projektvolmen von fünf Millionen Euro. Das ist die Grenze, die auch die EU zieht und ab der ausführliche Informationen zwingend werden. Alles darunter unterliegt in zwei Abstufungen nur noch vereinfachten Infopflichten.
Prospekte
Die Veröffentlichung teurer Prospekte, bei denen sich Anleger seitenweise durch Kleingedrucktes quälen, war einer der Dauerbrenner im Streit der Sozialpartner um die Schwarmfinanzierung. Vor allem die Arbeiterkammer kämpfte gegen die Aufweichung der Grenze von bisher 250.000 Euro. Sie plädierte zwar für mehr Verständlichkeit, beharrte jedoch auf den Vorteil externer Prüfer. "Die SPÖ war hier lange der große Blockierer", sagt Staudinger, "da gibt es nichts zu beschönigen."
Zweite wesentliche Neuerung sind absolute Wertgrenzen: Wer sich im Crowdfunding engagiert, darf künftig pro Projekt nur noch bis zu 5000 Euro investieren. Alles, was darüberliegt, ist an Bedingungen geknüpft: Das Investment darf das doppelte Monatsnettogehalt oder ein Zehntel des Finanzanlagevermögens nicht sprengen.
Das Modell ist an das deutsche Schutzgesetz für Kleinanleger angelehnt. Für Konsumentenschützer ist es ein wesentliches Sicherheitsnetz für Anleger. Unternehmer wie Staudinger halten die Grenze für eine überzogene Einschränkung, die vor allem den Verwaltungsaufwand erhöht. "Es ist rührend, wann sich die Regierung um das Wohl ihrer Bürger sorgt und wann nicht. Bei Ausgaben fürs Kasino und Sportwetten steht keiner vor der Tür."
Der dritte Eckpunkt: Crowdfunding-Plattformen dürfen, so sieht es der Plan der Regierung vor, nur noch mit einer Konzession der Finanzmarktaufsicht oder mit einer Gewerbeberechtigung für Vermögensberater betrieben werden. Laut einer Studie der AK verfügte zuletzt nur eine von drei Investing-Plattformen in Österreich die entsprechende Berechtigung.
Neue Rücktrittstrechte
Neu sind zudem Rücktrittsrechte für Verbraucher. Sie kommen dann zum Tragen, wenn etwa formale Voraussetzungen wie Informationspflichten, nicht eingehalten wurden. In Verhandlungen involvierte Experten sehen im Gesamtpaket einen sinnvollen Kompromiss zwischen Wirtschaftsinteressen und Anlegerschutz.
Noch bedient Crowdfunding allerdings eine Nische. Im Vorjahr investierte jeder Österreicher im Schnitt lediglich 40 Cent in die alternative Finanzierungsform, das ist ein Volumen von gerade einmal 3,6 Millionen Euro. Großbritannien liegt mit mehr als zwei Milliarden Euro weit voraus.
Finanzrebell Staudinger stellte sein Modell im Übrigen auf Nachrangdarlehen um. 181 von 183 Investoren sattelten um. Vor einem Jahr sicherten ihm private Anleger erneut 2,9 Millionen Euro frisches Kapital zu. "Das wäre nicht möglich, wenn die Leute mit den Banken zufrieden wären." Das von der FMA verhängte und auf 2600 Euro herabgesetzte Bußgeld hat er bis heute nicht gezahlt. Vor wenigen Wochen stand wieder der Exekutor vor einer seiner Filialen - und zog, wie Staudinger erzählt, wegen "unklarer Besitzverhältnisse" unverrichteter Dinge von dannen. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 24.3.2015)