In der Mulchschicht findet die Amsel einen reich gefüllten Gabenteller.

Illustration: Dennis Eriksson

Johann Julier alias Hans Moser nuschelte, dass er im früheren Leben eine Reblaus gewesen sein müsste. Mag sein, aber der originale Liedtext handelt, wie eine bahnbrechende Studie von Turdus & Merula nun in den Annual Hortical Garden Proceedings 217/4-8 enthüllt, nicht von einer Laus, sondern von der Amsel. Die populäre Volksweise war dereinst die geheime Hymne der Gersthofer Gartengenossen, ein mittlerweile verschwundener Animierbund singfreudiger Gartler und Gärtnerinnen.

Sie sangen, dass sie im früheren Leben Amseln (Turdus merula) gewesen sein müssten, weil sie ebenso gerne wie die Vögel im zeitigen Frühjahr im liegen gebliebenen Laub stierlten. Diesen Tieren gleich huschten sie durch ihre Beete, um den Boden endlich wieder mit den Händen zu spüren, die Beete ein wenig freizukratzen und zu inspizieren, was denn den Winter überlebt hätte und wo schon die ersten grünen Spitzen ans Licht drängten. Und genau das ist der Punkt, der zur aktuellen Problematik moderner, gesäuberter Beete führt.

Wer in den Beeten über den Winter nichts liegen lässt an abgestorbenen Pflanzen, vergilbten Mehrjährigen oder verrottendem Laub, wer all das sorgfältig entfernt, um möglichst viel seiner Gartenerde gut sichtbar freizulegen, macht sich und den Amseln das Leben schwer. Diese haben dann nichts, was sie geschickt mit ihren Schnäbeln umdrehen und nach fressbarem Haxelgetier untersuchen könnten. Sie finden zusätzlich nichts für ihren Nestbau. Da muss man sich schon fragen, warum Gärtner und Gartlerinnen das Kompostieren auf einen Fleck im hintersten Winkel ihres Garten beschränken.

Vor Ort kompostieren

Warum sollen eigentlich die roten Kompostwürmer und all die vielen Mikroorganismen nur in einem Haufen gedeihen, um Küchenreste oder Gartenabfälle in feinsten Naturdünger zu verstoffwechseln? Und warum muss der Gartler mühsam den Kompost ausräumen und kübelweise zu den Beeten schleppen, um diesen dann in die Erdoberfläche einzuarbeiten? Man kann doch auch gleich vor Ort kompostieren, indem man Schnittgut und Gartenabfälle an dem Ort liegen lässt, wo diese herkommen. So gibt man dem Boden das zurück, was aus ihm entstanden ist. Und die Amseln haben ihre helle Freud' daran.

Besonders dreiste Gartler graben in den Beeten oberflächlich ein wenig Küchenabfälle ein und bedecken die Composphäre mit einer Schicht aus ihrem Wurmparadies, dem Komposter. Man spricht in diesem Fall von Live-Composting: Wessen Krauthappelrest oder Brokkolistrunk als Erster komplett verrottet ist, hat gewonnen.

Dann kann man wieder singen, dass man im früheren Leben eine Amsel gewesen sein muss, weil das Stierln in den Beeten doch ach so schön ist - oder auch eine Nacktschnecke, aber dazu ein andermal. (Gregor Fauma, Rondo, DER STANDARD, 27.3.2015)