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Die Russin Yekaterina Poistogova und die Ukrainerin Nataliya Lupu freuen sich nicht ganz gemeinsam am Podium nach dem 800-Meter Finale bei der Leichtathletik-Hallen-EM in Prag.

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Foto: AP/Shipenkov

Die Nachricht war kurz, aber nicht schmerzlos: "Aufgrund der politischen Situation zwischen Russland und der Ukraine ist das Qualifikationsspiel zwischen den beiden Ländern für die Handball-Europameisterschaft 2016 in Polen verschoben worden." Dies teilte der Europäische Handball-Verband ( EHF) am Dienstag mit. Die ursprünglich für November, dann für den 28. April angesetzte Partie soll im Juni nachgeholt werden." Die EHF sieht höchste Priorität darin, die Spiele in einem sicheren Rahmen auszutragen und keiner Gruppierung außerhalb des Handballs eine Plattform für politische Interessen zu bieten.

Ein sicherer Rahmen wird wohl ein Wunschtraum bleiben. Aufgrund der gemeinsamen Vergangenheit in der Sowjetunion sind die beiden Länder in den gleichen Sportarten stark, das heißt die Wahrscheinlichkeit eines Aufeinandertreffens der momentan zerstrittenen Nachbarnationen in dem einen oder anderen Wettkampf ist groß. Die europäischen Sportverbände versuchen zwar mit allen Mitteln ein direktes Duell zu vermeiden, doch von Dauer wird diese Verschiebungstaktik nicht sein können. Der Europäische Fußballverband (UEFA) führte eine manipulierte Auslosung zum Achtelfinale der Europa League durch, um russisch-ukrainische Duelle zu verhindern.Und wenn man die Auslosungen der europäischen Basketball und Handballverbände anschaut, sieht man auch keine russisch-ukrainische Paarungen. Man kann getrost davon ausgehen, dass das kein Zufall ist. Wobei sowohl bei Basketball als auch bei Handball auffällt, es sind wesentlich weniger ukrainische Mannschaften mit dabei als voriges Jahr.

Gemeinsame Photos

Die Ukraine, vormals eine große Sportnation wie Russland, hat einen Absturz in allen Sportarten erlebt, außer im Fußball. Wobei es nur eine Frage der Zeit ist, bis der Fußball auch eine Bankrotterklärung abgibt. Legionäre wollen nicht in der Gefahrenzone leben, ukrainische Kicker leben teilweise von 2000 Grivna, also umgerechnet 100 Euro im Monat.

Boykottiert wurde die Sportbeziehung beider Länder seit dem Beginn des Konfliktes offiziell nicht. Im Gegenteil: Bei der Leichtathletik-EM in Zürich umarmten sich russische und ukrainische Sprinterinnen. Auch Aufeinandertreffen beim Schach, in Rhythmischer Sportgymnastik oder beim Ringen gingen bislang ohne Aufregung über die Bühne. Seit Sotschi gab es auch bei den Wintersportlern keine Reibereien. Selbst an der Rodel-EM in Russland nahm die ukrainische Delegation vollzählig teil.

Mannschaftssportarten und Boxen als Ausnahme

Bei Sportarten mit größerem Gewaltpotential wie etwa Boxen und Mannschaftssportarten, sieht die Sache freilich anders aus. Da ist die Angst vor Duellen der beiden Nationen groß. Der geplante Kampf der beiden Box-Schwergewichtler, Vitalij Klitschko und Nikolai Valujew, wurde schon 2009, also vor dem Konflikt, immer wieder verschoben. Der als Freund Putins bekannte Valujew meldete sich sofort nach der Annexion der Krim via Twitter: "Meine Freunde, Russland ist mit Ihnen! Es wird zur Zeit ein Informationskrieg geführt. Deswegen sind wir persönlich in die Heldenstadt Sewastopol gekommen um uns einen Bild von die Situation zu machen." Ein Duell der beiden zurückgetretenen Sportler könnte heute nicht mehr zustande kommen.

Fußball ist, wie Boxen, anders als die anderen Sportarten. Dynamo Kiew hat im Juli ein Freundschaftsspiel mit Spartak Moskau zur Eröffnung des neuen Stadions Otkritiye mit der Begründung ausgeschlagen: "Für uns ist es nicht richtig, in der derzeitigen Lage nach Moskau zu reisen". Der ukrainische Fechtverband entschied sich, Turniere in Russland zu boykottieren, um gegen den Tod eines ukrainischen Offiziers im Rahmen der Krim-Krise zu protestieren.

Eigene Liga in der Krim

Vor der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim konnte die UEFA ihre Augen nicht verschließen. Auf ihr Anraten soll eine eigene Liga auf der Krim gegründet werden, mit Mannschaften, die bisher in der ukrainischen Meisterschaft teilgenommen haben. Beim UEFA-Kongress, der derzeit in Wien tagt, könnte das Projekt Formen annehmen. Die UEFA hatte eine Teilnahme der Clubs aus Sewastopol, Jalta und Simferopol an der dritten russischen Liga untersagt, obwohl die Krimer Mannschaften selbst diese Änderung beantragt hatten. Die Ukraine protestierte dagegen, sieht die Schwarzmeer-Halbinsel weiter als ihr Territorium an.

UEFA-Generalsekretär Gianni Infantino sagte beim Kongress von Wien, dass bei der EM 2016 ein Spiel zwischen Russland und der Ukraine erlaubt sein wird. Ob 2016 aber, bei einer möglichen Zuspitzung der Konfliktes, die UEFA immer noch so denken wird, bleibt abzuwarten. Bei den Zuspitzungen des Konfliktes (Majdan, Sotschi, Krim, MH17-Abschuss) zeigen sich Boykotttendenzen, aber ansonsten bleibt die Sportwelt merklich unerschüttert vom schwersten Krieg auf europäischem Territorium seit dem Kosovo-Krieg 1998.

Die große Frage ist, ob Russland die Ausrichtung der WM 2018 entzogen wird. Für Russlands Präsident Wladimir Putin ist die WM von immenser Bedeutung. Als ehemaliger Judoka kennt er eigentlich die ungeschriebenen Regeln des Sportes: Das Fair Play. Sein Pendant, der ukrainische Präsident Petro Poroschenko, weiß wie sein Gegner denkt. Er war in seiner Jugend auch Judosportler. (Tamas Denes, derStandard.at, 24.3.2015)