Bild nicht mehr verfügbar.

Diego Velázquez' "Venus vor dem Spiegel", entstanden zwischen 1648 und 1651, hängt hier noch in der bis Februar gelaufenen Velázquez-Schau in Wien. Ab sofort ist es im Pariser Grand Palais zu bewundern.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Frankreich erweist Diego Velázquez (1599-1660) erstmals überhaupt die Ehre mit einer so umfassenden Werkschau. 119 Gemälde sind in der ab Mittwoch geöffneten Ausstellung im Pariser Grand Palais zu sehen. Davon sind nur 57 vom spanischen Meister. Die andere Hälfte stammt aus seinem Atelier oder von anderen Malern jener Zeit, etwa Velázquez' Lehrmeister Francisco Pacheco und seinem Schüler und Schwiegersohn Martinez del Mazo.

Schon darin zeigt sich der spezielle Ansatz gegenüber der großen Ausstellung im Vorjahr im Wiener Kunsthistorischen Museum. "Die beiden Ausstellungen sind sehr unterschiedlich", meint Chefkonservator Guillaume Kientz anlässlich der Eröffnung der Schau zum STANDARD: "Wir hatten zwar zur gleichen Zeit die gleiche Lust auf eine solche Ausstellung", schmunzelt der erst 35-jährige Elsässer, hauptamtlich Konservator des Pariser Louvre-Museums.

Intellektuelle Partnerschaft

"Die Ausgangslage war aber anders. Das Kunsthistorische Museum kann keine großen Werkschauen organisieren, während wir in Paris über umfangreiche Ausstellungsräume verfügen, die wie das Grand Palais auch das gewünschte Raumvolumen vor allem in die Höhe mitbringen." Umgekehrt hat der Louvre keinen Velázquez in seiner permanenten Sammlung.

Als Velázquez-Publizist kennt der französische Konservator Velázquez zwar auswendig. "Kennen heißt aber nicht damit leben", verbeugt er sich vor seinen Wiener Kolleginnen Gudrun Swoboda und Sylvia Ferino-Pagden, mit denen ihn bei der Organisation des - auch finanziell ergiebigen - Velázquez-Austauschs eine "intellektuelle Partnerschaft" verband. "Das heißt nicht, dass wir in allem einer Meinung waren", fügt Kientz ohne weitere Präzisierungen an. Man kann sie erraten.

Auch in Paris zeigt sich das Problem der Bildzuweisungen. "Velázquez zugeschrieben", heißt es oft, oder: "Könnte bisher nicht zugeschrieben gewesen sein." Vor allem aber liegt der Unterschied zwischen den Schauen in Paris und Wien im Zugang. "Der unsrige war vergleichend", meint Kientz, "wir wollten Velázquez vor allem in Zusammenhang mit seinen Zeitgenossen zeigen."

Der Philosoph Demokrit ist zum Beispiel gleich in drei Versionen zu sehen. Eine davon stammt von Velázquez, eine von Juan Bautista Martínez del Mazo und die letzte von Peter Paul Rubens, der mit dem spanischen Meister einen intensiven Austausch pflegte.

"Persönlich gefärbt" ist, wie Kientz einräumt, auch das Dekor. Die zwar großräumige, aber trotzdem verschachtelte Anordnung der Pariser Schau fordert die Kreativität der Konservatoren stets heraus. Kientz griff zu einem betont radikalen Mittel, indem er sämtliche Räume in einer anderen Wandfarbe hält. Auf die beige Kulisse der ersten Bodegónes aus Sevilla folgt ein schwarzer und verdunkelter Porträtraum. Velázquez' Wechsel an den Königshof in Madrid geht mit wechselnden Helltönen einher; das Meisterwerk Venus vor dem Spiegel (1648-1651) erhält dazu sogar einen eigenen Rundraum.

Hofnarren und Inquisitoren

Danach folgt ein "grüner Salon" mit Hofnarren und Inquisitoren; ein grauer Saal reflektiert sodann das grandiose Purpur von Papst Innozenz X., der beim Anblick seines eigenen Porträts ausgerufen haben soll: "Troppo vero!" ("Zu wahr!" Velázquez' letztes Porträt seines Königs und Vertrauten Philipp IV. sind wie die Infantinnen-Bilder in ein rotes Ambiente getaucht.

Der vorletzte Saal ist ganz Mazo gewidmet, dem offenbar eine Vorliebe der Pariser Konservatoren galt. "Er ist der Einzige, der den ästhetischen Einsatz von Velázquez' Malerei wirklich begriffen hat, auch wenn ihn diese Klarsicht auf seine eigene Beschränktheit zurückwerfen musste", erklärt das Ausstellungsbild. So beschränkt war Mazo allerdings auch nicht, wie sein bewegendes, Velázquez ebenbürtiges Porträt von Prinz Baltasar Carlos beweist.

Der Maler der Maler

Den kurzen, aber umso würdigeren Abschluss bildet aber natürlich der Meister himself. Velázquez' Selbstporträt macht sogar die Absenz von Las Meninas wett. Und es erhöht ihn, wie sein französischer Nachfolger Edouard Manet später meinte, zum "Maler der Maler". Sein nüchtern-luzider, wissender Blick resümiert die ganze Ausstellung, alle gezeigten Porträts, ja die ganze Menschheit. (Stefan Brändle, DER STANDARD, 25.3.2015)