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Debra Milke muss wegen des Mordes an ihrem Sohn nie wieder in Haft.

Foto: AP Photo/Arizona Department of Correction

Ein Jahr nachdem in ihrer Geburtsstadt Berlin die Mauer fiel, zog sich für Debra Milke eine Mauer hoch. Im Oktober 1990 wurde die damals 26-jährige US-Amerikanerin wegen Verschwörung zum Mord, Kidnapping und verübten Mordes an ihrem vierjährigen Sohn Christopher schuldig gesprochen und später in die Todeszelle gesperrt. Ein Bekannter von Milke und dessen Freund hatten dem Kind im Dezember 1989 in der Wüste von Arizona in den Kopf geschossen. Milke soll sie wegen einer Lebensversicherung von 5000 Dollar dazu angestiftet haben.

Seit einem Vierteljahrhundert beteuert die heute 51-Jährige ihre Unschuld. Doch das Gericht schenkte der Aussage von Detective Armando Saldate mehr Glauben. Er war der Einzige, der jemals ein Geständnis von Milke gehört haben will. Zeugen, Aufzeichnungen oder eine Unterschrift von der Beschuldigten hat es nie gegeben. Was die Anklage den Geschworenen zudem verschwieg: Saldate wurde mehrmals wegen Falschaussage unter Eid verurteilt.

Mehrfach verurteilt ist auch Milkes Exmann, Mark Milke. Die beiden hatten sich im April 1983 kennengelernt und wurden kurze Zeit später ein Paar. Die Beziehung war geprägt von der Alkohol- und Drogensucht des Mannes. Das Paar trennte sich, heiratete, bekam ihren Sohn Christopher, löste die Ehe. Milke erwirkte schließlich eine Schutzanordnung gegen ihren Exmann: Er durfte sich ihr selbst und ihrem Sohn nur unter Aufsicht nähern. Er drohte ihr aber weiterhin mit der Entführung Christophers, und Milke versteckte sich mit ihrem Sohn bei einem Freund ihrer Schwester - dem späteren Mörder ihres Kindes.

An der Schuld Milkes gab es seit der Verurteilung erheblichen Zweifel. Zahlreiche Unterstützer aus den USA, aber auch in Deutschland setzten sich für ihre Freilassung ein. 1998 hätten sie diesen Kampf fast verloren, als Milke im Jänner zu einem "Probelauf" in die Hinrichtungskammer gebracht wurde. Kurz vor dem Exekutionstermin wurde der Fall allerdings neu geprüft und der Termin verlegt. Das neunte Berufungsgericht urteilte schließlich 2013, dass Milke kein faires Verfahren erhalten hatte - sie kam auf Kaution mit Fußfessel frei.

Seit zwei Tagen steht fest, dass Milke wegen des Mordes an ihrem Sohn nie wieder in Haft muss, es wird kein weiteres Verfahren geben, da in den USA niemand wegen desselben Delikts zweimal vor Gericht gestellt werden darf. So ist auch Milkes Mauer endgültig gefallen. (Bianca Blei, DER STANDARD, 25.3.2015)