Wien - Vielen Wienerinnen und Wienern sind die Mittwochsvorlesungen von Viktor Emil Frankl noch heute ein Begriff. Der Hörsaal in der alten Poliklinik war regelmäßig zum Bersten gefüllt. Ab den 1960er-Jahren bis kurz vor seinem Tod 1997 hielt Frankl Vorträge über die von ihm begründete Logotherapie. Am Donnerstag wäre der Wiener Arzt und Philosoph 110 Jahre alt geworden. Zu seinen Ehren wird auf Privatinitiative das weltweit erste Viktor-Frankl-Museum in der Wiener Mariannengasse eröffnet.
KZ-Überlebender
Auf nicht ganz 100 Quadratmetern erhält man in einer zum Museum adaptierten Altbauwohnung einen guten Überblick über Frankls Lebenswerk. Vor der Nazidiktatur, von 1933 bis 1937, leitete er im Psychiatrischen Krankenhaus Wien den "Selbstmörderinnenpavillon". 12.000 Frauen wurden von ihm behandelt. Später wurde ihm verboten, mit arischen Frauen zu arbeiten, weil er jüdischer Abstammung war. 1942 wurde er nach Theresienstadt deportiert, überlebte vier Konzentrationslager. Seine Frau, seine Eltern und sein Bruder wurden umgebracht. 1945 kehrte er nach Wien zurück, abgemagert auf 36 Kilo.
Dennoch setzte er seine Arbeit fort und erhielt weltweit viel Anerkennung für Bücher wie Trotzdem Ja zum Leben sagen, in dem er die KZ-Zeit aufarbeitete. Es geht in seiner Lehre um die aktive Auseinandersetzung mit persönlichen Sinn- und Existenzfragen. Kurz nach dem Krieg etwa veröffentlichte er das Buch Ärztliche Seelsorge. Unterzeile: "Ein Buch für jeden Arzt, aber auch für jeden Menschen, der um den Sinn des Lebens und des Leidens ringt."
Auf ein resignierendes "Es hat eh alles keinen Sinn mehr" nach Schicksalsschlägen, wendet Frankl die Sichtweise: "Wozu könnte mich diese Lebenssituation herausfordern?" Ein weiteres Frankl-Zitat in diesem Zusammenhang: "Es gibt keine Situation, die der Mensch nicht gestalten könnte, sei es durch Verändern oder durch das tapfere Ertragen des Unabänderlichen."
Dieses Ansinnen wird auch in den Ausstellungsräumen spürbar, denen ein ausgetüfteltes Konzept zugrunde liegt. Der Besucher wird eingeladen, sich mit den Lehren haptisch auseinanderzusetzen: Neben Video- und Audioaufnahmen und einer Bibliothek gibt es mit den Händen zu bedienende Wendebretter und Kästen, hinter denen sich Fragen und Antworten zu Frankls Thesen verstecken. Die Logotherapie wird für den Besucher praktisch begreifbar.
Initiiert wurde das Museum von den Schwestern Johanna Schechner und Heidemarie Zürner, die bereits für die Gründung des Viktor-Frankl-Zentrums vor zehn Jahren verantwortlich zeichneten. Ziel sei es, die Lehre nicht nur den Therapeuten, sondern auch dem "kleinen Mann auf der Straße" (Zitat Frankl) zugänglich zu machen.
Unterstützung erhält das Museum auch von Frankls zweiter Frau Elly, die nach wie vor in der Mariannengasse 1 lebt. (Rosa Winkler-Hermaden, DER STANDARD, 25.3.2015)