• Der Stimmenrekorder wurde gefunden, Flugdatenschreiber noch nicht
  • Aufzeichnungen wurden rekonstruiert
  • Laut Ermittlern war ein Pilot nicht im Cockpit

  • Widersprüchliche Aussagen zur Nationalität der Opfer
  • Bergungsarbeiten laufen, Hinterbliebene und Staatschefs sind vor Ort

Was sind die Eckdaten des verunglückten Germanwings-Flugs?

Der Airbus A320 mit der Flugnummer 4U9525 von Lufthansa-Tochter Germanwings startete am Dienstag um 10.01 Uhr in Barcelona mit dem Ziel Düsseldorf. Kurz nachdem die Maschine Reiseflughöhe erreicht hatte, ging sie in einen Sinkflug über und zerschellte gegen 10.53 Uhr in mehr als 2.000 Metern Seehöhe in den französischen Alpen. Der Absturzort liegt 85 Kilometer nordwestlich von Nizza im Département Alpes-de-Haute-Provence.

Das französische Innenministerium hat ein Video von der Unglücksstelle veröffentlicht.

Wann gab es erste Hinweise auf Probleme im Flugzeug?

Am Mittwoch sagte die französische Verkehrsministerin Ségolène Royal laut der Zeitung "Independent", dass der Funkkontakt zu den Piloten bereits um 10.30 oder 10.31 Uhr abriss, ehe der Airbus von knapp 12.000 Metern Flughöhe zu sinken begann. Am Dienstag hatte Germanwings angegeben, dass der Radarkontakt um 10.45 Uhr abriss und sich die Maschine nur acht Minuten lang im Sinkflug befand. Was um 10.30 oder 10.31 Uhr vorgefallen ist, sei entscheidend und der "Schlüsselmoment" für die Aufklärung der Katastrophe, so Royal.

Die Piloten machten mit keinem Notruf auf Probleme aufmerksam. Es war ein französischer Fluglotse, der Alarm schlug, nachdem das Cockpit auf Funksprüche nicht reagiert und das Flugzeug deutlich an Höhe verloren hatte. Warum der Flugkapitän, der seit mehr als zehn Jahren für Germanwings und die Lufthansa im Einsatz war und 6.000 Flugstunden Erfahrung auf dem Modell A320 hatte, keinen Notruf sendete, ist ungewiss.

Was ist die Unglücksursache?

Im Moment liegt die Ursache noch im Unklaren. Neue Anhaltspunkte lieferte am Donnerstag ein Bericht der "New York Times", der sich auf die Aufwertung des Stimmenrekorders beruft: Einer der beiden Piloten sei nach Angaben von Ermittlern kurz vor dem Absturz nicht im Cockpit gewesen. Aus den Aufnahmen soll hervorgehen, dass er am Dienstag vor dem Sinkflug das Cockpit verlassen und anschließend vergeblich versucht hatte, die Tür zu öffnen, um wieder hineinzukommen. Auf dem Stimmenrekorder sei zu hören, wie sich die Tür zum Cockpit erst öffnet und dann wieder schließt, gefolgt von Klopfen an der Tür. Dann gebe es bis zum Absturz keine Konversation mehr, hieß es.

Klar ausschließen wollten die Lufthansa und die Behörden zunächst nur einen Anschlag. Erkenntnisse zum Absturzgrund soll die Auswertung der Blackboxes bringen, also der beiden Flugschreiber, die durch eine Stahlummantelung geschützt sind, um auch Abstürze zu überstehen.

Bild nicht mehr verfügbar.

Teile der Blackbox des am Dienstag verunglückten Airbus.
Foto: REUTERS/BEA/Handout

Der Cockpit Voice Recorder (CVR), jene Blackbox, die die Funksprüche sowie Gespräche und Geräusche im Cockpit aufzeichnet, wurde bereits gefunden. Dieser Stimmenrekorder sei zwar beschädigt, aber die Aufnahmen konnten rekonstruiert werden, hieß es aus dem französischen Bureau d'Enquete d'Accidents (BEA), das die Daten am alten Pariser Flughafen Le Bourget auswertet. Inhalte wurden bisher nicht publiziert. Eine Veröffentlichung der Tondokumente ist aus Persönlichkeitsgründen nicht vorgesehen, nur ein schriftliches Protokoll kann im Rahmen eines Verfahrens herausgegeben werden.

Ältere CVR-Modelle mit Magnetspulen nehmen die jeweils letzten 30 Minuten, neuere mit Chips ausgestattete bis zu 120 Minuten auf. Danach werden die vorhergehenden Daten gelöscht. Welches Modell in der verunglückten Maschine verbaut war, ist noch nicht bekannt.

Von der zweiten Blackbox, dem Flight Data Recorder (FDR), wurde angeblich bisher nur die Außenhülle gefunden, nicht aber das Gerät selbst. Der Flugdatenschreiber speichert die technischen Daten der vorangegangenen 25 Stunden, von der Flughöhe über die Geschwindigkeit und den Kurs bis zur Triebwerksleistung.

Grafik: DER STANDARD

Wer war an Bord?

Eine genaue Passagierliste wurde noch nicht veröffentlicht, Germanwings will zunächst alle Angehörigen informieren. Insgesamt waren 144 Passagiere und sechs Besatzungsmitglieder an Bord. Zumindest 72 Deutsche sollen unter den Opfern sein, darunter eine Gruppe von 16 Schülern und zwei Lehrern aus Haltern am See in Nordrhein-Westfalen. Auch zwei Säuglinge waren laut Germanwings in der Maschine.

Über die Opfer aus Spanien gibt es widersprüchliche Angaben. Die spanische Regierung spricht von 51, laut Germanwings-Chef Thomas Winkelmann kamen 35 spanische Staatsangehörige ums Leben.

Unter den Passagieren waren auch Personen aus Argentinien, Australien, Belgien, Dänemark, Großbritannien, Israel, Japan, Kolumbien, Marokko, Mexiko, den Niederlanden und den USA. Laut dem Außenministerium gibt es keine Hinweise darauf, dass sich Österreicher unter den Opfern befinden. Die französischen Behörden gehen aufgrund der Zerstörungslage von keinen Überlebenden aus.

Bild nicht mehr verfügbar.

Einer der größeren Wrackteile des Airbus.
Foto: EPA/GUILLAUME HORCAJUELO

Wie läuft die Bergung ab?

Das Gelände der Absturzstelle ist extrem schwer zugänglich, selbst Hubschrauber können nicht landen. Die französischen Behörden müssen großteils zu Fuß zum Unglücksort gelangen. Am Mittwoch wurden die Bergungsarbeiten vom zentralen Ausgangspunkt in Seyne-les-Alpes aus fortgesetzt. Nahe dem 1.200-Einwohner-Ort errichteten die Einsatzkräfte einen temporären Stützpunkt mit mehr als 300 Polizisten und 380 Feuerwehrleuten. Die Bergung der Leichen wird nach Angaben der Polizei voraussichtlich mehrere Tage dauern. Am Mittwochnachmittag wurden die ersten Überreste von Opfern geborgen.

Bild nicht mehr verfügbar.

Die Einsatzzentrale in Seyne-les-Alpes.
Foto: AP Photo/Christophe Ena, Pool

Rechtsmediziner sind seit Beginn der Arbeiten an der Bergung beteiligt, erklärte Klaus Püschel, der Leiter des Hamburger Instituts für Rechtsmedizin. Der Absturzort wird in Planquadrate eingeteilt und die dort entdeckten Leichenteile in nummerierten Behältnissen gesammelt und an eine zentrale Untersuchungskommission geschickt. Dort versuchen die Forensiker gemeinsam mit Zahnärzten und Röntgenexperten die Identität der Unfallopfer zu eruieren.

Was wird für die Hinterbliebenen getan?

Angehörige der Opfer erhielten das Angebot, sich nach Südfrankreich zu begeben. Erste Sondermaschinen aus Düsseldorf und Barcelona kamen am Mittwoch in Seyne-les-Alpes an, wo ein "Ort der Stille" eingerichtet wurde und Seelsorger bereitstehen. "Die Angehörigen haben für uns jetzt oberste Priorität", sagte Lufthansa-Chef Carsten Spohr am Mittwoch auf dem Düsseldorfer Flughafen. Die Hilfe werde auch finanzielle Entschädigungen umfassen.

Wie reagieren nun Behörden und Politik?

Neben Vertretern von Airbus, Lufthansa und Germanwings sind auch französische Behörden vor Ort. Die Staatsanwaltschaft von Marseille hat Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung aufgenommen. Auch die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft hat ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet, dabei gehe es um die Identifizierung der Opfer und die Klärung der Todesursache. Bis zur Fertigstellung eines vorläufigen Absturzberichts könnte es mehrere Monate dauern, bis zum Abschluss der Ermittlungen und der anhängigen Gerichtsverfahren auch mehrere Jahre.

Das EU-Parlament begann seine Sitzung am Mittwoch mit einer Schweigeminute, Staats- und Regierungschefs aus aller Welt kondolierten, und mehrere Spitzenpolitiker begaben sich zur Absturzstelle. Am Mittwochnachmittag trafen unter anderen die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, der französische Präsident Francois Hollande, Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy und die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in Seyne-les-Alpes ein. Sie ließen sich am Stützpunkt die Lage schildern und dankten den Einsatzkräften.

Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: EPA/Nogier

Was wissen wir über die verunglückte Maschine?

Der Airbus A320 mit der Kennung D-AIPX wurde 1990 hergestellt, hob 1991 zum Jungfernflug ab und hatte 58.300 Flugstunden auf rund 46.700 Flügen absolviert. Ende Jänner 2014 ging das mit 174 Sitzplätzen ausgestattete Flugzeug von der Muttergesellschaft Lufthansa an Germanwings.

Die technische Betreuung blieb bei der Lufthansa Technik, dem Weltmarktführer im Bereich Wartung, Reparatur und Überholung von Flugzeugen. Der letzte Routinecheck an der Maschine wurde am Tag vor dem Absturz durchgeführt. Der alle zwei Jahre vorgeschriebene und mehrere Tage dauernde "C-Check" fand im Sommer 2013 statt.

Ein Flugzeug dieses Alters gilt in der internationalen Luftfahrt grundsätzlich nicht als überaltet. Eine 2014 veröffentlichte Studie des Internationalen Zentrums für Luftverkehr am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, USA ergab, dass auch bei Maschinen von 20 Jahren Lebensdauer und mehr kein Zusammenhang zwischen dem Alter und der Unfallhäufigkeit feststellbar ist. Nur bei Fluggesellschaften, die in Afrika operieren, sei ein solcher Zusammenhang tendenziell herstellbar.

Warum blieb das Flugzeug am Vortag auf dem Boden?

Laut Germanwings gab es ein technisches Problem mit der "Nose Landing Door", jener Klappe, die sich am Rumpf öffnet und schließt, wenn das Bugrad aus- und eingefahren wird. Dieses Problem soll jedoch behoben worden sein.

Gab es bei Germanwings bereits früher Sicherheitsmängel?

Seit der Gründung 2002 hat es keine größeren Unfälle bei Germanwings gegeben. Allerdings gab es in den vergangenen Jahren Zwischenfälle mit Gerüchen im Cockpit. So hatten Piloten 2010 beim Anflug auf Wien Probleme, weil sie durch Gerüche der Ohnmacht nahe waren. Die Ursache dafür wurde nicht geklärt. Zwei Jahre davor musste eine Maschine nach dem Start in Dublin wegen des gleichen Problems umkehren.

Was bedeutet der Absturz für den Betrieb von Germanwings?

Der Mutterkonzern Lufthansa und Konkurrenzunternehmen wie Air Berlin, Tuifly und andere Fluglinien stellten der Airline insgesamt elf Maschinen zur Verfügung. So konnte der Flugbetrieb aufrechterhalten werden. Auch Besatzung wurde an Germanwings verliehen, da viele Mitarbeiter wegen Trauer und Betroffenheit ob der verunglückten Kollegen nicht einsatzbereit waren. Insgesamt 40 Flüge wurden so von anderen Fluglinien bedient, nur ein Germanwings-Flug musste ausfallen. (red, APA, Reuters 25.3.2015)