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Der Airbus A320 ist Europas meistverkaufte Maschine für die Mittelstrecke, seit seinem Jungfernflug im Jahr 1987 kam es zu 27 Unfällen.

Foto: ap/Tommy Desmet

150 Menschen sind bei dem Absturz eines Airbus der Lufthansa-Tochter Germanwings in den französischen Alpen ums Leben gekommen. Die Ursache des schwersten Unglücks in der Luftfahrt in Europa seit Jahren ist bislang unklar. Der Airbus startete am Vormittag in Barcelona und war auf dem Weg nach Düsseldorf, etwa 100 Kilometer nördlich von Nizza ging die Maschine nieder. Nach acht Minuten Sinkflug zerschellte sie in den französischen Alpen.

Sowohl Germanwings-Chef Thomas Winkelmann als auch Lufthansa-Chef Carsten Spohr zeigten sich tief betroffen. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sprach den Opfern und ihren Angehörigen ihr tiefstes Mitgefühl aus, der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck bricht seine Südamerikareise ab. Noch ist der Grund für den Absturz völlig unklar. Während die Ermittlungen in dem schwer zugänglichen Gebiet schon am gestrigen Dienstag aufgenommen wurden und neben dem tiefen menschlichen Leid, zeichnen sich auf Unternehmensebene erste Konsequenzen ab.

Lufthansa-Piloten sehen von Streiks ab

Die Piloten der AUA-Mutter verzichten angesichts des tragischen Unglücks auf weitere Streikdrohungen. "Der Arbeitskampf ist für uns aktuell kein Thema mehr", zitiert der "Tagesspiegel" den Sprecher der Vereinigung Cockpit, Jörg Handwerg. Nun werde "über ganz andere Themen" geredet. Nach dem Absturz des Airbus A320 mussten außerdem mehrere Germanwings-Flüge gecancelt werden. Der Grund: Etliche Crew-Mitglieder waren nicht zum Dienst erschienen. "Einige haben ihren Dienst aus persönlichen Gründen nicht angetreten, aber nicht aus Sorge, dass da was im Argen liegt", bestätigte eine Lufthansa-Sprecherin.

Problem an der "Nose Landing Door"

"Spiegel online" hingegen sieht den Hintergrund für "die Weigerung etlicher Piloten", ihren Dienst aufzunehmen, darin begründet, dass die Unglücksmaschine am Montag wegen technischer Probleme den ganzen Tag in Düsseldorf am Boden gestanden sei. Es habe ein Problem an der "Nose Landing Door" gegeben, bestätigte die Lufthansa-Sprecherin in der Folge. Die "Nose Landing Door" ist "Spiegel online" zufolge eine Klappe, die sich am Rumpf öffnet und schließt, wenn das Bugrad aus- und eingefahren wird. "Das ist kein sicherheitsrelevantes Thema, sondern ein Geräuschthema. Das Problem wurde routinemäßig behoben", so die Sprecherin weiter.

In Düsseldorf wurden laut Flughafen-Homepage unter anderem Verbindungen nach Paris, Hamburg, London, Madrid und Stockholm gestrichen. Auch in Köln fielen Germanwings-Verbindungen aus. Dort wurden laut Flughafen Verbindungen nach London, Mailand und Zürich annulliert. Am Flughafen in Stuttgart wurden drei Starts annulliert. Auch an den Flughäfen Tegel, Halle/Leipzig und Hamburg fielen Verbindungen der Lufthansa-Tochter aus. Die Gründe konnten die jeweiligen Flughafensprecher nicht nennen. Am Flughafen Wien waren Germanwings-Ankünfte am Dienstagabend zum Teil um mehrere Stunden verspätet gelandet, ein Flug aus Berlin wurde überhaupt storniert.

6200 Maschinen des A320 aktuell im Dienst

Nach Angaben der Online-Datenbank airfleets.net handelt es sich bei der Unglücksmaschine um einen 24 Jahre alten Airbus A320, der seit 1991 für die Deutsche Lufthansa und seit Jänner dieses Jahres für Germanwings unterwegs ist. Der Mittelstreckenflieger hatte seinen Jungfernflug 1987 und wurde ein Jahr später erstmals von Airbus an Kunden ausgeliefert. Seither hat er sich in verschiedenen Varianten zum meistverkauften Passagierjet von Airbus auf der Mittelstrecke entwickelt. Bis Ende Februar hatte der Hersteller von seiner absatzstärksten Modellfamilie knapp 6500 Maschinen an die Kunden überstellt, davon ist - mit knapp 6200 Fliegern - die große Mehrheit noch im Dienst.

Je nach Ausführung kann der A320 in seiner Hauptversion bis zu 180 Passagiere transportieren. Im Laufe seiner Baugeschichte wurde das knapp 38 Meter lange Modell, das mit Boeings 737 weltweit konkurriert, technisch immer wieder erneuert. Die A320-Flieger haben eine Reichweite von bis zu 6150 Kilometer und können mit einem Gesamtgewicht von 78 Tonnen abheben. Eine A320-Maschine hat einen Listenpreis von an die 100 Millionen Dollar. Im heurigen Jahr soll der Typ mit neueren, spritsparenderen Turbinen ausgeliefert werden. Die Nachfrage nach diesem sogenannten A320neo ist bislang enorm.

27 Unfälle seit Jungfernflug

Seit seinem Erstflug kam es dem Aviation Safety Network zufolge zu bisher 27 Unfällen mit Maschinen vom Typ A320. Der Flugzeugtyp kann damit als verhältnismäßig sicher gelten. Bei den Zwischenfällen kamen bis zuletzt insgesamt fast 1000 Menschen ums Leben. Der letzte Absturz einer A320-Maschine der Indonesia AirAsia über der Java-See forderte 162 Menschenleben. Die folgenreichste Havarie ereignete sich 2007 im brasilianischen Sao Paolo als ein A320 über die Landebahn hinausschoss. Alle 187 Insassen sowie weitere zwölf Menschen am Boden starben.

Germanwings (Airline-Code 4U) wurde 2002 gründet. Mit der Billigtochter will die AUA-Mutter Lufthansa die Low-Cost-Carrrier wie Ryanair oder EasyJet in Schach halten. 2013 wurden alle Lufthansa-Direktverbindungen abseits der Drehkreuze München und Frankfurt zu Germanwings verlagert. Für 2015 wollte die Lufthansa im Europaverkehr abseits der Drehkreuze schwarze Zahlen schreiben.

Die Flotte von Germanwings besteht aus rund 60 Flugzeugen der Airbus A320-Familie. Dazu kommen rund 20 Regionaljets des Typs Bombardier CRJ900, die von Eurowings geflogen werden. Auch um Druck auf die streikfreudigen Lufthansa-Piloten auszuüben, plant der größte Luftfahrtkonzern Europas derzeit, das "Wings"-Konzept auszubauen. In Wien sollen für Eurowings im Herbst zwei A320-Maschinen stationiert werden.

Eurowings ersetzt Germanwings

Trotz beachtlicher Erfolge in den vergangenen zwei Jahren soll der Markenname Germanwings demnächst in der Versenkung verschwinden. Lange vor dem Unglück hat die Lufthansa Pläne bekanntgegeben, dass sie ab diesem Herbst abseits ihrer Drehkreuze Frankfurt und München nur noch unter dem Markennamen "Eurowings" günstig unterwegs sein will. Die 58 "Germanwings"-Jets sollen zwar nicht erneut umlackiert werden, die Tickets aber nur noch unter Eurowings buchbar sein.

Hintergrund sind deutliche Kostenvorteile bei der Euro-Tochter. Während die Piloten der Germanwings zu fast den gleichen Komfort-Bedingungen arbeiten wie ihre Kollegen bei der Lufthansa, verdienen Eurowings-Piloten deutlich weniger.

Wie lange es das Unternehmen Germanwings noch gibt, hängt nicht zuletzt von den Tarifgesprächen mit der Vereinigung Cockpit (VC) ab. Lufthansa hat bereits damit gedroht, die teuren Germanwings-Piloten so schnell wie möglich zur Lufthansa zu versetzen.

Harter Wettkampf am Himmel

Germanwings war über viele Jahre das ungeliebte Kind der Lufthansa. Nach der Gründung im Jahr 2002 hielt die traditionsreiche Kranich-Airline den Billigableger lange absichtlich klein, um sich nicht selbst Konkurrenz zu machen. Erst zehn Jahre später ließ die Lufthansa die Tochter dann von der Leine und übertrug alle Deutschland- und Europastrecken, die nicht über die beiden Drehkreuze Frankfurt und München führen, auf Germanwings. Die Runderneuerung war aus Sicht der Lufthansa nötig, um dem rasanten Vormarsch ausländischer Rivalen zu stoppen, die mit Billigangeboten auf Kundenfang gingen und gehen.

Die Strategie des Konzerns für Germanwings ging nur bedingt auf: Die Fluglinie mit Sitz in Köln soll erst in diesem Jahr Gewinne einfliegen, und Rivalen wie Easyjet und Ryanair fassen im hart umkämpften Billigsegment hierzulande stärker Fuß. Schuld daran sind nach Ansicht der Lufthansa-Spitze die immer noch recht hohen Kosten bei Germanwings, die nur ein Fünftel unter denen der Lufthansa-Stammfluglinie liegen. (APA, red, derStandard.at, 25.3.2015)