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Ein Teil des Flugzeugwracks in den französischen Alpen, wie es von einem Helikopter der Einsatzkräfte aus der Luft aufgenommen wurde.

Foto: AP Photo/Fabrice Balsamo, Gendarmerie Nationale

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Den Pariser Behörden ist es nach eigenen Angaben gelungen, Aufzeichnungen aus dem beschädigten Flugschreiber zu extrahieren.

Foto: EPA/BEA / HANDOUT

Vor einigen Tagen hatte François Hollande in einem Interview einen seltsamen Satz gesagt: "Der Tod wohnt der präsidialen Funktion inne." Der französische Präsident meinte seine häufige Beschäftigung mit Krieg oder Terroranschlägen. Dazu kommt jetzt ein Flugzeug absturz. Am Mittwoch flog Hollande mit Angela Merkel im Armeehubschrauber von Marseille in die französischen Voralpen, wo am Vortag 150 Airbus-Passagiere und Besatzungsmitglieder den Tod gefunden hatten, darunter 72 Deutsche, mindestens 35 Spanier und 16 andere Nationalitäten.

Unterwegs wünschte die deutsche Kanzlerin offenbar, den unzugänglichen Absturzort selbst zu überfliegen. Bei der Ankunft in dem nächsten Bergdorf Seyne-les-Alpes war Merkel die Erschütterung anzusehen. Und das nicht nur, weil unter den Todesopfern 72 Deutsche sind, sondern auch, weil von ihnen an dem Ort des Schreckens nicht viel übrig geblieben ist. Die bisher gefundenen Leichenteile seien "nicht größer als ein Aktenkoffer", meinte ein Polizeiermittler mit der seinem Job eigenen Sachlichkeit.

Gemeinsam mit dem im Auto angereisten spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy ließen sich Merkel und Hollande darauf von Hunderten von Gendarmen, Militärs und Feuerwehrleuten über die Bergungsarbeiten informieren. Regionalpräfekt Michel Cadot schilderte, wie schwierig die Suche sei. Das war zurückhaltend ausgedrückt: Die Absturzzone ist abschüssig, das Geröll rutschgefährdet. Die Ermittler werden sich darauf teils nur mit Seilen bewegen können.

Zu Fuß zur Unglücksstelle

Sie müssen außerdem mit Hubschraubern in das abgelegene und unwegsame Gebiet geflogen werden. Dazu hatten sich fünfzig Hilfskräfte bereits am Dienstagabend auf den fünfstündigen Nachtmarsch gemacht, um am Morgen vor Ort zu sein. Es sind alles Freiwillige: Kein Gendarm wird gezwungen, in den Trümmern des Fluges 4U-9525 nach Indizien oder sterblichen Überresten zu suchen.

Und das Grauen wird sie in der aschenfarbigen Schutthalde noch lange verfolgen: "Mehrere Wochen" werde die traurige Sucharbeit dauern, erklärte der zuständige Staatsanwalt Brice Robin am Mittwoch. In Seyne wurde eine improvisierte Leichenhalle mit der Möglichkeit von DNA-Proben eingerichtet.

Die drei europäischen Politiker hielten dort kurz Andacht. Sie trafen auch mit den ersten Angehörigen zusammen, die bereits den Weg an den entlegenen Absturzort gefunden hatten.

In den nächsten Tagen werden zahllose Trauerfamilien namentlich aus Deutschland und Spanien, aber auch aus den USA und Australien erwartet. Busse stehen beim Flughafen von Marseille zu ihrer Verfügung. In Seyne tun die 1400 Anwohner alles, um die Besucher beherbergen zu können. "Ich nehme gerne eine Familie für zwei, drei Tage auf, um unseren Schmerz zu teilen", meinte Lucien Baudin, ein langjähriger Anwohner. Vize-Bürgermeister Jean-Jacques Grosos sagte, er habe zahllose Angebote für freie Betten, Ferienwohnungen und Campingcars erhalten. Merkel dankte den Franzosen für den Empfang.

Hoffnung auf Voice-Recorder

Ältere Einwohner erinnern sich, dass ein paar Kilometer entfernt bereits eine Air-France-Maschine im Jahr 1953 auf dem Flug nach Vietnam an einem Berggipfel zerschellt war. Alle 42 Insassen waren ums Leben gekommen; und die Absturzursache ist bis heute nicht geklärt.

Bei der aktuellen Flugkatastrophe liegen die Hoffnungen auf dem sichergestellten Stimmrekorder. In Paris informierte der Direktor der Flugunfallbüros BEA, Rémi Jouty, man habe aus dem äußerlich schwer lädierten Flugschreiber eine praktisch unbeschädigte Audio-Datei herausfiltern können. Er sei "relativ optimistisch", die Geräusche und Stimmen des ganzen Fluges auswerten zu können. Mit einem ersten Bericht sei aber erst "in einigen Tagen oder Wochen" zu rechnen. Er soll vor allem Aufschluss geben, warum der Airbus A320 acht Minuten lang auf den tödlichen Sinkflug gegangen war, ohne ein Notsignal auszusenden.

Die zweite Blackbox mit den technischen Daten des Flugverlaufs ist laut Jouty noch nicht gefunden. Er widersprach damit zum Teil Hollandes Worten, man habe die Hülle des zweiten Flugschreibers, nicht aber den Inhalt entdeckt. Der BEA-Chef denkt, dass das Auffinden möglich sein sollte, da das Absturzgebiet durchaus überschaubar sei.

Die Trümmer seien zudem eher klein, fügte Jouty an. Das deute ebenfalls daraufhin, dass die Maschine nicht im Flug explodiert, sondern in einem Stück in den Berg gerast sei. Auf weitere Interpretationen ließ sich Jouty trotz drängender Journalistenfragen nicht ein. Auch auf deutsche Medienspekulationen über einen Druckabfall infolge eines zerborstenen Cockpitfensters ging er nicht ein. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 26.3.2015)