Die linke Berliner "tageszeitung" setzt neben Spenden seit 9. März auf freiwillige Digitalabos - "Paywahl" statt Paywall. Laut Hausblog der Zeitungsgenossenschaft entschieden sich in der ersten Woche 600 Personen für "regelmäßige Zahlung". Die "Süddeutsche Zeitung" stellt seit Dienstag alle Blattinhalte gegen Bezahlung ins Web, nach einer Einführungsphase für 29,99 Euro im Monat.

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"Wir haben null Komma null gemerkt, dass Leser uns meiden": Digital-Chefredakteur Stefan Plöchinger über Tag eins des Bezahlmodells "SZ Plus".

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STANDARD: Warum verlangt die "Süddeutsche Zeitung" nun auch im Internet Geld von ihren Userinnen und Usern?

Plöchinger: Wir bei der "SZ" wollen keinen Unterschied mehr machen, wo unsere journalistische Arbeit publiziert wird, in Print oder digital. Deshalb haben wir nun erstmals die komplette "SZ" im Netz verfügbar gemacht, mit allen Texten aller Kollegen und nicht mehr nur der Online-Redakteure. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass wir die bisher – in der gedruckten oder digitalen Zeitungsausgabe – bezahlten Texte nicht einfach ohne Geld zu verlangen publizieren können. Da bekämen wir logischerweise Probleme. Also war klar, dass wir für eine Kernleserschaft, die wirklich viel bei uns liest, ein Angebot machen wollen, das auf unseren existierenden digitalen Abos und Tagespässen aufsetzt und das diesen Leuten alles zugänglich macht, was unsere Redaktion zu bieten hat.

STANDARD: Nach dem ersten Tag "SZ Plus": Wie wurde das Signal aufgenommen, dass Qualitätsjournalismus Geld kostet, auch im Web?

Plöchinger: Erstaunlich unproblematisch. Nun ist an diesem Tag nachrichtlich einiges passiert – der schreckliche Absturz in den Alpen –, es war einer der reichweitenstärksten Tage in unserer Geschichte. Schon deshalb denke ich, dass unsere Leser das ganze Thema "Bezahlen oder nicht?" deutlich entspannter sehen, als Journalisten oft denken. Wir haben null Komma null gemerkt, dass Leser uns meiden.

STANDARD: Wie viele – zunächst ja kostenlose – Abos wurden denn am Tag eins abgeschlossen?

Plöchinger: Über konkrete Zahlen reden wir erst, wenn wir mehr Erfahrungen haben. Wenn Sie jetzt etwas klar Vierstelliges vermuten, liegen Sie aber nicht arg daneben.

STANDARD: Mit wie vielen Kunden rechnen Sie denn, sagen wir: im ersten Jahr?

Plöchinger: Die "SZ"-Geschäftsführung hat einmal grob gesagt: von 35.000 Digitalabos auf 50.000. Nur, lassen Sie uns bitte mit diesen ewigen Zahlenfragen aufhören, weil da schon unter den Verlagen wenig vergleichbar ist. Andere Verlage rechnen große Zahlen von kostenlosen oder Niedrigpreis-Prämienabos in ihren PR-Mitteilungen mit hinein. So viel sei gesagt, von unseren existierenden Abonnenten sind gut 60 Prozent Digital-only-Abonnenten, 40 Prozent Print-Aufsattler, und das nicht zu Dumpingpreisen. Deshalb sind wir in der Summe recht optimistisch, dass dieser Teil unseres Geschäftsmodells weiter wächst.

STANDARD: Wann sehen Sie "SZ Plus" als Erfolg, publizistisch wie wirtschaftlich?

Plöchinger: Ich bin fürs Publizistische zuständig, und da freue ich mich, wenn wir von Lesern für unsere Qualität belohnt werden – nicht wie andere Seiten, die in Reichweitenstatistiken vor uns sind, journalistischen Unsinn machen müssen, der bloß schnelle Klicks bringt.

STANDARD: Ist das Abomodell werktags digital, am Wochenende die Printausgabe aus Ihrer Sicht eine Zukunftsperspektive für Tageszeitungen?

Plöchinger: Es entspricht exakt meiner Mediennutzung, und auch der, die ich bei vielen Freunden und Bekannten sehe. Ich finde das attraktiv. Nun soll man aber nicht von sich auf andere schließen. Wir werden nun am Markt beobachten können, wie eine solche Kombination bei den Lesern ankommt.

STANDARD: Warum heißt denn das Angebot "SZ Plus" – ich habe als Erstes "Bild Plus" assoziiert?

Plöchinger: An Ihrer Stelle würde ich mich fragen, wie das kommen kann! Im Ernst – wir haben viele Markttests gemacht. Spätestens seit "Times Plus" war uns dieser Titel im Kopf umgegangen, und die Tests haben ergeben: Die Leser verstehen es als Zusatznutzen, als ein besonderes Extra. Was unser Angebot ja seit diesem Dienstag auch ist. (Harald Fidler, DER STANDARD, Langfassung, 26.3.2015)