Wien/London/Brüssel – Der Widerstand in Österreich gegen den Ausbau des britischen Atomkraftwerks Hinkley Point wächst. Als erster österreichischer Stromversorger legt die Oekostrom AG Nichtigkeitsbeschwerde beim zuständigen EU-Gericht gegen die Erweiterung des AKW ein, wie sie am Donnerstag mitteilte. Die Bundesregierung arbeitet an einer Klage gegen die Förderung des Projekts.

Die britische Regierung will den Ausbau des Atomkraftwerks mit 23 Milliarden Euro subventionieren, die EU-Kommission genehmigte das zuletzt. Im Bundeskanzleramt hieß es am Donnerstag, dass Österreich Klage einbringen werde, sobald das formal möglich sei. Dazu müsse die Förderung für das AKW aber erst im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden, was im April passieren dürfte.

"Rechtliche Mittel ausschöpfen"

Kanzler Werner Faymann (SPÖ) hatte dem britischen Premier David Cameron im Februar einen Brief mit der österreichischen Position zu Hinkley Point übergeben. "Ich habe keinen Zweifel daran gelassen, dass Österreich die rechtlichen Mittel ausschöpfen wird", sagte Faymann damals. Österreich halte die staatliche Beihilfe für unzulässig. Er sei zwar überzeugt, dass Cameron und Großbritannien ihre Haltung dadurch nicht ändern würden, doch auch Österreich werde bei seiner Position bleiben.

Die Oekostrom AG kritisiert nun, "dass mit dem Projekt eine Technologie ohne Zukunft subventioniert wird", und sieht darin einen Verstoß gegen das europäische Wettbewerbsrecht. Die Entscheidung habe zudem Signalwirkung für die geplanten AKW-Projekte in Ungarn (Paks II) und Tschechien (Temelin, Dukovany) nahe der österreichischen Grenze. Die EU-Kommission hatte in ihrer Beihilfen-Entscheidung auf das gemeinsame Interesse der Mitgliedsstaaten verwiesen. Ihre Argumentation basiert auf dem Euratom-Vertrag aus dem Jahr 1957, so die Oekostrom AG.

"Alte Technolohie"

"Allein die Tatsache, dass die Beihilfe mit einem Vertrag aus dem Jahr 1957 argumentiert wird, zeigt, dass es sich um eine alte Technologie handelt, die in den vergangenen 60 Jahren nicht marktfähig geworden ist", bemängelte Lukas Stühlinger, im Oekostrom-Vorstand für die Stromproduktion zuständig. "Die Kosten für die Entsorgung der Brennstäbe sind in den 23 Milliarden Euro an Subventionen vollkommen unzulänglich berücksichtigt, geschweige denn das Risiko von Atomunfällen à la Fukushima und Tschernobyl."

"In der Beihilfe für das britische Atomkraftwerk sehen wir einen gefährlichen Präzedenzfall für zukünftige Projekte nahe der österreichischen Grenze", so Stühlinger. "Wenn sich also die Kommission mit ihrer Entscheidung durchsetzt, könnten bereits geplante AKW-Projekte beispielsweise in Ungarn und Tschechien finanziell ausgestattet und umgesetzt werden." Kein europäisches Unternehmen würde derzeit neue AKW aus eigener Tasche finanzieren. "Subventionen machen Atomstrom jedoch wieder rentabel - sauberer und sicherer Strom aus Sonnen- und Windkraft würde ausgebremst werden."

"Klagsgemeinschaft"

Anfang März hatte der deutsche Ökoenergieanbieter Greenpeace Energy angekündigt, eine entsprechende Nichtigkeitsklage einzureichen. "Wir freuen uns über die Klagebereitschaft der Oekostrom AG", erklärte nun Greenpeace-Energy-Vorstand Sönke Tangermann in einer Aussendung, "denn je mehr Kläger hinzukommen, desto größer werden die juristischen Erfolgsaussichten gegen die wettbewerbsverzerrenden Beihilfen für Hinkley Point C."

Greenpeace Energy und die Oekostrom AG planen nun, im bevorstehenden Verfahren eine "Klagegemeinschaft" zu bilden. "Das bedeutet, dass die Unternehmen eine gemeinsame Klageschrift erstellen lassen, in denen sie jeweils ihre eigene unmittelbare wirtschaftliche Betroffenheit durch die Entscheidung der Kommission darlegen."

Hinkley Point C wäre das erste AKW-Bauprojekt in Großbritannien seit mehr als 20 Jahren und der erste Reaktorneubau in Europa seit der Katastrophe von Fukushima. Das AKW soll 2023 ans Netz gehen und rund 60 Jahre laufen. Die gesamten Kosten des Projekts belaufen sich laut EU-Kommission auf umgerechnet etwa 43 Milliarden Euro. (APA, 26.3.2015)