Microsoft hat es nicht leicht am Smartphone-Markt. Jahrelang hechelte man hinter iOS und Android hinterher, erst mit Windows Phone 8 präsentierte man ein ausgereiftes und konkurrenzfähiges Betriebssystem. In dieser Zeit haben sich Google und Apple den Markt bereits untereinander aufgeteilt, ein dritter Player konnte sich bislang nicht durchboxen und mit ausreichenden Marktanteilen festkrallen. Mit Windows 10 wagt Microsoft nach Windows Phone 8 nun den nächsten großen Umbruch in seiner Smartphone-Strategie, die konkreten Änderungen fallen bislang aber noch sehr überschaubar aus. Der WebStandard wirft einen Blick auf die erste Preview-Version von Windows 10 für Smartphones.

Der Startbildschirm von Windows Phone 8.1 und Windows 10 im Vergleich: Bis auf die Darstellung des Hintergrundbildes gibt es kaum Unterschiede.
Screenshot: Standard/Wendel

Windows Phone 8.1 läuft flott und stabil

Windows Phone 8.1 ist an sich ein sehr gutes Betriebssystem. Das System läuft flott, ist sehr stabil und setzt sich durch seine Benutzeroberfläche ausreichend von der Konkurrenz ab. Man könnte Microsoft höchstens vorwerfen, dass die Entwicklung ein wenig träger abläuft und Funktionen wie die Benachrichtigungszentrale erst deutlich nach der Konkurrenz eingeführt wurden. Ähnliches kennt man teilweise aber auch von Apple. Selbst die Windows-Smartphones lassen eher wenig Raum für Kritik.

Kritische Nutzerzahlen nicht erreicht

Vor allem in einem Bereich hinkt Windows Phone aber auch heute noch deutlich der Konkurrenz hinterher – bei den Apps. Während die von Microsoft entwickelten Programme durchwegs eine sehr gute Figur abgeben, wird die Plattform von einigen Entwicklern noch immer verschmäht. Die Nutzerzahlen von Windows Phone scheinen die kritische Masse, ab der es sich für Entwickler lohnt der Plattform auch wirklich Aufmerksamkeit zu schenken, noch nicht erreich zu haben. Kurz zusammengefasst: Die Auswahl an Programmen ist geringer, die Qualität vieler Apps leidet.

Klug gelöst: Zwischen Y- und X-Taste befindet sich ein kleiner Button, mit dem der Cursor in alle vier Richtungen bewegt werden kann.
Screenshot: Standard/Wendel

Neuer Ansatz mit Windows 10

Mit Windows 10 und einem neuen Ansatz will Microsoft das nun ändern. Die neue Devise lautet "eine Produktfamilie, eine Plattform, ein Store". Einplatinencomputer, Smartphones, Tablets, Laptops, PCs, Xbox One – alle Geräteklassen laufen künftig unter Windows 10. Entwicklern soll es dadurch vereinfacht werden, ihre Programme für die unterschiedlichen Geräte anzupassen und als Universal-Apps im Store von Microsoft anzubieten. Das steht zumindest am Papier. Wie die Realität aussieht, wird sich erst mit der Zeit zeigen. In der Preview-Version sind hier noch kaum Verbesserungen zu Windows Phone 8.1 erkennbar. Drittanbieter-Programme sind selbstverständlich noch nicht angepasst, auch Microsoft liefert bislang wenig neue Apps.

Die neue Fotos-App bietet bislang noch recht wenig Funktionen, Microsoft vertröstet auf einen späteren Zeitpunkt.
Screenshot: Standard/Wendel

Wenig neue Apps

Neu in Windows 10 für Smartphones ist etwa eine universelle Fotos-App, die auch bereits in der Desktop-Variante von Windows 10 enthalten ist. Abseits der Fotoanzeige und grundlegender Bearbeitungsfunktionen gibt es darin jedoch kaum etwas zu entdecken. Ähnlich wie am Desktop vertröstet Microsoft in den verschiedenen Menüpunkten auf einen späteren Zeitpunkt, man arbeite noch an der App. Andere bereits von Microsoft angekündigte Universal-Programme, darunter ein neues Outlook und eine neue Nachrichten-App, in die auch Skype integriert werden soll, fehlen noch.

Weg vom Zune-Design

Mit an Bord ist ein neuer Datei-Explorer, der weitaus moderner und funktionaler wirkt als sein Pendant aus Windows Phone 8.1. Auch viele weitere Programme wurden einem Facelifting unterzogen – darunter Telefon, Wecker und Taschenrechner. Mit den neu gestalteten Apps verabschiedet sich Microsoft außerdem von Interface-Elementen, die noch auf den erfolglosen Zune-Mediaplayer zurückgehen. Riesige Überschriften und der Wechsel von Tabs über horizontale Wischgesten weichen einem Auswahlmenü mit kleinen Icons am oberen Bildschirmrand. Microsoft dürfte mit den kommenden Preview-Versionen von Windows 10 wohl weitere seiner Apps auf das neue Design umstellen.

Microsoft verabschiedet sich in den Apps von Windows 10 von Design-Elementen, die noch auf den erfolglosen Zune zurückgehen.
Screenshot: Standard/Wendel

Startbildschirm bleibt fast unverändert

Die Benutzeroberfläche von Windows 10 selbst hat sich im Vergleich zum Vorgänger hingegen kaum verändert. Der Startbildschirm mit den Kacheln gleicht quasi der Anzeige unter Windows Phone 8.1. Neu ist die Art, wie Hintergrundbilder dargestellt werden – die Kacheln werden teilweise transparent, das Bild wird dahinter gelegt. Microsoft erlaubt Entwicklern außerdem neue Kachel-Größen für den Startbildschirm, derzeit sind diese jedoch kaum verfügbar. Auch die alphabetische Übersicht aller installierten Apps ist fast unverändert. Lediglich kürzlich installierte Programme werden in einem neuen Bereich ganz oben angeführt.

Interaktive Benachrichtigungen

Etwas umfassendere Änderungen deutet die neue Benachrichtigungszentrale an. Konnte man hier unter Windows Phone 8.1 nur vier verschiedene Einstellungen über die Quick-Actions ändern, lässt sich dieses Menü nun ausklappen und zeigt dann insgesamt zwölf Schnelleinstellungen. Interaktive Benachrichtigungen, die es unter Android und iOS bereits seit letztem Jahr gibt, führt Microsoft mit Windows 10 ebenfalls ein. Eine eingehende SMS-Nachricht kann dadurch direkt über die Benachrichtigung beantwortet werden, die App selbst muss nicht geöffnet werden. Das war es dann aber auch schon wieder. Weitere Funktionen bieten die interaktiven Benachrichtigungen derzeit nicht.

Windows 10 bietet noch mehr Schnelleinstellungen, SMS können direkt über die Benachrichtigung beantwortet werden.
Screenshot: Standard/Wendel

Überarbeitete Einstellungen

Stark verändert haben sich unter Windows 10 die Einstellungen. Musste man unter Windows Phone 8.1 noch durch eine unübersichtliche und endlos lange Auflistung von Menüeinträgen scrollen, erhält man nun eine in verschiedene Themenbereiche gegliederte Übersicht. Eine Verbesserung der Darstellung in den Einstellungen war bereits lange überfällig, auch in der Desktop-Version von Windows 10 wird an einer klareren Struktur der Systemeinstellungen gearbeitet. Gleichzeitig zeigt sich jedoch an den Einstellungen, dass Microsoft die neu gestalteten Programme noch an einigen Stellen optimieren muss. So fällt etwa auf dem Testgerät, einem Lumia 830, die Standardschriftgröße etwas arg klein aus. Und das ist noch eher einer der kleineren Bugs in der Preview-Version von Windows 10.

Fehlerhafte Preview

Generell läuft die erste Preview-Version von Windows 10 noch recht fehlerhaft. An vielen Stellen gibt es Anzeigefehler, das System läuft insgesamt sehr träge und ruckelig. Auch verschiedene Drittanbieter-Apps laufen unter Windows 10 ungewohnt langsam. Positiv fällt auf, dass es zumindest zu keinen Systemabstürzen kommt. Insgesamt muss derzeit jedoch davon abgeraten werden, Windows 10 im Alltag zu verwenden. Die bisher implementierten Neuerungen rechtfertigen kaum die deutlich schlechtere User-Experience. Kritik soll das jedoch keine sein. Es handelt sich bei der vorliegenden Version immerhin um die erste Preview von Windows 10 für Smartphones. Bis zur finalen Version, die wohl noch mehrere Monate entfernt ist, wird Microsoft noch viel Arbeit investieren. Ein Release-Datum für die Smartphone-Version von Windows 10 gibt es noch nicht. Die Desktop-Variante soll im Sommer erscheinen.

Die Einstellungen in Windows 10 (links) sind übersichtlicher und strukturierter als in Windows Phone 8.1 (rechts)
Screenshot: Standard/Wendel

Fazit: Gute Ansätze, aber wenig Neues zu entdecken

Wer in Windows 10 für Smartphones einen Desktop befürchtet hat, kann beruhigt werden. Microsoft sorgt für eine saubere Trennung der User-Experience zwischen Windows 10 für Smartphones und Desktop-Computer. Leider fallen die Änderungen aber auch sonst eher gering aus, lediglich an einigen Stellen wurde an den Funktionen und am Design geschraubt. Wie ein vollkommen neues System wirkt Windows 10 für Smartphones im Vergleich zum Vorgänger derzeit nicht. Eigentlich auf der Hand liegende Synergiepotenziale, die Microsoft durch die gemeinsame Plattform für alle Geräteklassen hätte, bleiben bislang weitgehend ungenutzt. Apple hat hier im Herbst gezeigt, was möglich ist. OS X Yosemite und iOS 8 arbeiten durch Schnittstellen wie Continuity, Handoff und AirDrop mehr denn je zusammen. Windows-10-Geräte fühlen sich, trotz der gemeinsamen Basis, im Vergleich dazu wie getrennte Welten an.

Nimmt man jedoch die Previews der Desktop-Version von Windows 10 als Maßstab, dürfte Microsoft in den kommenden Monaten noch einige Änderungen an dem Betriebssystem vornehmen und weitere Neuerungen präsentieren. Kaum absehbar ist derzeit, welche Auswirkungen Windows 10 für Smartphones auf das Angebot an Apps – einer der Hauptkritikpunkte an Windows Phone – haben wird. Die Werkzeuge sind da – jetzt müssen sie von den Entwicklern nur noch verwendet werden.

Installation der Preview-Version

Microsoft bietet die erste Preview-Version von Windows 10 für Smartphones derzeit nur für ausgewählte Smartphones an: Lumia 630, 635, 636, 638, 730 und 830. Weitere Modelle sollen erst zu einem späteren Zeitpunkt folgen. Wer sich trotz der Fehler die Preview-Version installieren möchte, sollte dafür ein Zweitgerät verwenden. Die Teilnahme am Insider-Programm ist kostenlos, über die Windows-Insider-App wird nach einer Anmeldung der Download von Windows 10 freigeschaltet. Die Installation wird direkt über die normale Update-Funktion von Windows Phone 8.1 durchgeführt. (Martin Wendel, 29.3.2015)