Wien - Missindorferstraße, Ecke Linzer Straße 74 im 14. Wiener Gemeindebezirk. Wehmütig blickt Georg Töpfer in einen Garten, der offenbar sich selbst überlassen ist. Efeu rankt sich um eine weiße Frauenstatue, die früher einmal Bestandteil eines Brunnens war. Dazwischen stehen gelbe Fassungen für Gaslaternen und Bäume, die im Sommer Schatten spenden. Die liebevolle Anordnung des Gastgartens, dem man die noble Ausstattung von einst noch heute ansieht, lässt vermuten: Das muss einmal ein feiner Ort gewesen sein, zum Vergnügen, zum Verweilen. Töpfer selbst wohnt hier ums Eck. Sein Grätzel, das Matznerviertel, sieht er nicht nur mit den Augen eines Bewohners. Töpfer ist auch Architekt.

Das zum Gastgarten gehörende Haus steht leer, eine Videothek hatte sich hier zuletzt eingemietet. Das Kaffehausmobiliar wurde längst verscherbelt, erzählt Töpfer. "Irgendwo in Berlin" sollen die Tische und Sessel aus Penzing jetzt stehen.

derstandard.at/brugner & von usslar

Lidia Brandstetter und Georg Töpfer engagieren sich bei der Initiative "Lebenswertes Matznerviertel".

Unsanktionierter Leerstand

Quert man die Linzer Straße, steht man vor dem ehemaligen Hotel Sitler, später Hotel Gloriette. Seit gut zwei Jahrzehnten ist das historische Gebäude dem Verfall preisgegeben. Ein chinesischer Investor soll die Immobilie erstanden haben, Behörden und Bezirksolitik sind die Hände gebunden. "Mit tut es auch leid, dass es leersteht", sagt Penzings Bezirkschefin Andrea Kalchbrenner (SP). Bei der Baupolizei heißt es auf STANDARD-Anfrage: Da ist nichts zu machen. Solange keine Gefahr im Verzug ist, kann der Besitzer mit dem Gebäude tun und lassen, was er will.

"Jeder Leerstand hat seine eigene Geschichte", sagt Daniel Dutkowski, Raumplaner und Gebietsbetreuer im Grätzel. Manchmal seien die Besitzer der Häuser ältere Menschen, die nicht mehr die Kraft haben, die Objekte wieder in Schwung zu bringen und zu vermieten.

Gastgarten in der Missindorferstraße, Ecke Linzer Straße 74.

Seit die rot-grüne Stadtregierung 2011 das Prostitutionsgesetz novelliert hat, ist der Straßenstrich von der Linzer Straße verschwunden. Geblieben an diesem Teil der Linzer Straße sind "Thai-Massage-Studios", einige Billigläden und viele leerstehende Geschäfte.

Das Hotel Cloriette steht seit über 20 Jahren leer.

Seit 1860 hatten sich hier zahlreiche produzierende Gewerbebetriebe angesiedelt. Särge, Gasherde, Grabschleifen, Fingerhüte wurden im Westen Wiens gefertigt. Vom Gewerbegebiet geblieben ist der Wirtschaftspark Breitensee in der Goldschlagstraße. Produzierende Betriebe, aber auch Büros sind hier untergebracht. Dass Wohnen und Arbeiten im Matznerviertel auch heute noch möglich ist, belebt das Grätzel rund um die Uhr, erzählt Töpfer.

Im Gewerbepark Breitensee sind Büros und produzierende Betriebe untergebracht.

Kampf gegen den Hundekot

Lidia Brandstetter, Bewohnerin des Wohnprojekts in der Sargfabrik und grüne Bezirksrätin im Nachbarbezirk Rudolfsheim-Fünfhaus, konzentriert sich auf die Dinge, die unmittelbar und mittelfristig verändert werden können. Hundebesitzern, die für das Gackerl kein Sackerl verwenden, hinterlässt sie eine Botschaft. "Das Problem befindet sich am oberen Ende der Leine", steht auf den laminierten Kärtchen, die sie in Hundekot steckt. "Vielleicht denken sie so um."

Foto: mavu

Gemeinsam mit Töpfer hat sie die Verantwortung für eine Baumscheibe übernommen, Stiefmütterchen im Beet vor der Trafik sollen eingesetzt werden. Brandstetter und Töpfer sind aber auch Mitinitiatoren der Initiative Lebenswertes Matznerviertel. Sie wollen bei der Neugestaltung der Straße vor dem renovierten Wirtschaftspark mitreden und ihre Ideen einbringen. Mehr Grünflächen, Tankstellen für Elektrofahrzeuge und weniger Autos, lautet die Vision. Die gemeinsamen Aktivitäten soll auch die Nachbarschaft im Grätzel stärken. Und der verwunschene Gastgarten in der Missindorferstraße? Brandstetter: "Vielleicht macht der Georg ja einmal einen Lottosechser." (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 26.3.2015)