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Amanda Knox und ihre Mutter Edda Mellas zeigten sich nach dem Urteil, das sie aus den USA verfolgten, erleichtert

Foto: Ap/Ted S. Warren

Das Urteil am Freitag Abend ist bereits das fünfte, das in diesem Fall ergangen ist. Die morbide Gerichtsodyssee des "Engels mit Eisaugen", wie die US-Studentin Knox von den Medien genannt wird, hatte mit einem ersten Urteil im Jahr 2009 begonnen, als sie und Raffaele Sollecito zu 26 und 25 Jahren Gefängnis verurteilt worden waren. Zwei Jahre später erfolgte ein erster Freispruch mangels Beweisen durch das Appellationsgericht in Florenz. Dann erfolgte die Annullierung des Freispruchs durch den Kassationshof wegen Formfehlern: Der ganze Prozess musste neu aufgerollt werden.

Im neuen Verfahren kam es im vergangenen Jahr wieder zu einer Verurteilung, diesmal zu 28 bzw. 25 Jahren. Dieses Urteil ist nun annulliert worden. Amanda Knox ist indessen vom Kassationshof wegen Verleumdung zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden, sie hatte den kongolesischen Barmann Patrick Lumumba des Mordes beschuldigt. Die Strafe hat sie aber in der insgesamt vierjährigen Untersuchungshaft längst abgesessen.

Brutaler Mord

In dem beinahe epischen Verfahren ging es um einen brutalen Mord in der Halloween-Nacht des Jahres 2007: Die britische 21-jährige Austauschstudentin Meredith Kercher aus Leeds, die gemeinsam mit Knox in Perugia in einer Wohngemeinschaft lebte, war am 2. November halbnackt und mit zerstochener Kehle in ihrem Zimmer aufgefunden worden. Vor ihrem Tod war sie vergewaltigt geworden. Wenige Tage später wanderte das damals frisch verliebte Studentenpaar Knox und Sollecito wegen Mordes in Untersuchungshaft. Ein dritter Tatbeteiligter war einige Wochen später in Deutschland verhaftet worden. Der Mann aus der Elfenbeinküste wurde in einem separaten Verfahren zu 16 Jahren Gefängnis verurteilt. Er hatte gestanden, beim Mord dabei gewesen zu sein; er belastete jedoch Knox und Sollecito.

Das Paar bestritt, beim Mord dabei gewesen zu sein. Nach dem gestrigen Freispruch für Knox und Sollecito wissen die Eltern Kerchers trotz fünf Urteilen bis heute nicht sicher, wer ihre Tochter getötet hat. Es handelte es sich um einen reinen Indizienprozess: Es gibt kein Geständnis, kein einleuchtendes Motiv, aber auch kein Alibi. Das Einzige, was man habe, sei die schrecklich zugerichtete Leiche von Kercher, sagte einmal ein Richter der Vorinstanzen. Daneben gab es nur Blutspuren, widersprüchliche Aussagen, kontaminierte DNA-Proben, einen vorgetäuschten Einbruch und die falsche Beschuldigung durch Knox.

Medienrummel

Der Prozess gegen Amanda Knox hatte in den letzten Jahren im In- und Ausland einen Medienrummel ausgelöst, wie ihn die italienische Justiz seit dem Mafia-Prozess gegen Ex-Premier Giulio Andreotti nicht mehr erlebt hat. Für die US-Medien war Amanda Knox das unschuldige Opfer einer unfähigen italienischen Justiz. Das Anti-Amanda-Lager in England dagegen stellte Knox als Prototyp eines männerverschlingenden Vamps dar, die nichts als Drogen, Sex und Partys im Sinn gehabt und ihre beiden willenlosen männlichen Begleiter zur Bluttat angestiftet habe.

Knox war nach dem vorläufigen Freispruch im Jahr 2011 in ihre Heimatstadt Seattle zurückgekehrt. Den neuen Prozess in Rom verfolgte sie von den USA aus; sie hatte verlauten lassen, dass sie im Falle eines Schuldspruchs niemals freiwillig nach Italien zurückgekehrt wäre.

Nach dem Freispruch verkündete sie, sie "unglaublich dankbar". Bei einem Auftritt vor ihrem Elternhaus in Seattle in Begleitung ihrer Familie erklärte die 27-Jährige am Freitagabend, sie sei dankbar dafür, dass sie ihr Leben zurückbekommen habe.

Sollecito hatte am Prozess in Rom teilgenommen, die Urteilsverkündigung aber zuhause in Bari abgewartet: Er wollte sich die drohende Demütigung, im Gerichtssaal abgeführt werden, ersparen. Als Knox und Sollecito vor bald acht Jahren an der Universität im umbrischen Perugia studierten, waren sie beinahe noch Jugendliche gewesen – inzwischen ist Knox 27-jährig, Sollecito hat am Donnerstag seinen 31. Geburtstag gefeiert. "Sie haben", schrieb dieser Tage der "Corriere della Sera", "nicht nur ihre Unschuld, sondern auch ihre Jugend verloren." (Dominik Straub aus Rom, DER STANDARD, 27.3.2015)