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Bürgernah und leutselig gab sich Staatschef Islam Karimow beim Newroz-Frühlingsfest vor einer Woche in Taschkent. Sein Clan kontrolliert die Wirtschaft des zentralsiatischen Landes.

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Taschkent/Moskau – Es kann nur einen geben in Usbekistan: Präsident Karimow ist bereits seit über einem Vierteljahrhundert an der Macht. 1989 hat er als letzter sowjetischer Parteisekretär die Macht in Taschkent übernommen. Bei der Wahl am Sonntag lässt sich der inzwischen 77-Jährige von seinen Untertanen die Verlängerung seiner Regentschaft um weitere fünf Jahre absegnen.

Es ist bereits das vierte Mal, dass Karimow bei den Wahlen antritt; nicht eingerechnet, die Referenden, in denen er zweimal seine Amtszeit einfach verlängern ließ. "Selbst der usbekischen Verfassung nach gibt es keine Rechtfertigung für diesen Schritt", sagt der Zentralasienexperte und Chefredakteur der Nachrichtenagentur Fergananews Daniil Kislow. In der Verfassung seien zwei Amtszeiten hintereinander als Maximum festgeschrieben.

Erklärt werde die Zulassung damit, dass es sich um zwei gleich lange Amtszeiten handeln müsse, erläutert Kislow den eher plumpen Kniff, die Verfassung auszuhebeln. Bereits der legere Umgang mit den eigenen Gesetzen demonstriert die Allmacht Karimows in Usbekistan.

Die drei offiziell zugelassenen Gegenkandidaten Chatamschon Ketmonow, Narimon Umanow und Akmal Saidow werden nicht an Karimows Thron rütteln. Experten sagen dem Amtsinhaber ein Ergebnis von rund 90 Prozent bei fast 100prozentiger Wahlbeteiligung voraus - auch weil dessen handerlesene "Gegner" praktisch keinen Wahlkampf geführt haben.

Eine echte und starke Opposition gibt es freilich ohnehin nicht. Die politische Arena ist seit langem "gesäubert", alles ist auf die Person Karimows zugeschnitten. Weder Parlament, noch Parteien dienen Debatte und Meinungsbildung. Sie sind allenfalls Fassade des autokratischen Regimes

Korruption und Armut

Denn der Karimow-Clan hat auh ökonomisch die Zügel fest in der Hand. Während rund ein Fünftel der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze lebt und Millionen usbekische Gastarbeiter im Ausland - in erster Linie Russland - ihr Glück suchen, lebt eine kleine Elite in Saus und Braus. Während die Bevölkerung ihre Häuser im Winter mit getrockneten Kuhfladen heizt, versickern die Einnahmen aus dem Export von Öl und Gas (ebenso wie der großen Goldvorkommen) im Sumpf der Korruption.

Die jahrelang in der Schweiz lebende jüngere Präsidententochter Lola Karimowa und ihr Gatte Timur Tilljajew gelten mit einem Milliardenvermögen als das reichste Paar Usbekistans.

Lola löst ihre ältere Schwester Gulnara ab, die nach Korruptionsermittlungen in der Schweiz, Schweden und Frankreich - sie soll Bestechungsgelder unter anderem von den Telefongesellschaften TeliaSonera, Vimpelcom und MTS über eine Milliarde Dollar erpresst haben - bei ihrem Vater in Ungnade fiel und unter Hausarrest gesetzt wurde. "Als Karimow von dem Verfahren erfuhr, ist er explodiert. Sie durfte alles machen, nur nicht dem Image Usbekistans schaden und das ohnehin schlechte Investitionsklima des Landes durch den Skandal weiter verschlechtern", erläutert Kislow die Politaffäre, die Spekulationen über einen Machtkampf um das Erbe des Herrschers hervorrief.

Premier Schawkat Mirsijojew und Vize-Premier Rustam Asimow gelten als mögliche Nachfolger des Präsidenten, doch ein plötzlicher Tod Karimows würde das politische System Usbekistans auf eine harte Probe stellen und könnte unvorhersehbare Folgen in dem bevölkerungsreichsten zentralasiatischen GUS-Land an der Grenze zu Afghanistan haben.

Die Furcht vor einer islamischen Revolution, aber auch Karimows betont distanzierte Haltung gegenüber Moskau haben die Kritik der USA und des Westens am autoritären Herrscher in den letzten Jahren verstummen lassen.

Wurde er 2005, nach dem Blutbad von Andischan, als das Militär Hunderte Demonstranten erschoss, noch mit Sanktionen belegt, wurden diese vier Jahre später wieder einkassiert. "US-Diplomaten erklärten, dass es Verbesserungen bei der Menschenrechtssituation im Land gegeben habe - wir Journalisten sehen diese Tendenz nicht, im Gegenteil", klagt Kislow. Die nächsten fünf Jahre wird Karimow an der Macht bleiben, Usbekistans Gesellschaft droht eine weitere Degradierung. (André Ballin, DER STANDARD, 27.3.2015)